Aktuelle
Ausgabe:
Bewegung
04-05/24

„Im Gehen bewegt sich etwas“

„Im Gehen bewegt sich etwas“
Frauenpilgertag auf einem Teil des Mariazellerweges

Mehr als 3.700 Frauen nahmen auf 92 Wegen am Frauenpilgertag teil – rund 25 davon bei einem Teil des Mariazellerwegs in Oberösterreich. Ein Bericht über Wegbekanntschaften und Innehalten

Schon beim Zusammenkommen am Treffpunkt vor der Pfarrkirche in Ebelsberg wird klar: Man kennt sich. Und wer einander noch nicht bekannt ist, wird herzlich in der Pilgergruppe aufgenommen. Denn: Gemeinsam geht es ab 9 Uhr nach St. Florian bei Linz, bekannt durch das gleichnamige Chorherrenstift. Nach einer kurzen Ansprache der drei Wegbegleiterinnen Barbara Fuchsluger-Hannerer, Renate Schimmel und Iris Huber sowie dem Schmücken des Pilgerstabs pilgern wir in Richtung Linzer Stadtrand los. Und das sattblaue Pilgerband? Das findet man an Rucksackhenkeln, Reißverschlüssen und um Handgelenke gebunden – ein Zeichen der Zusammengehörigkeit, wir sind als Gruppe unterwegs. 

Bereits nach wenigen Minuten fällt mir – einem Pilgerneuling – auf, dass das Schritttempo die Menschen zusammenführt. Ich unterhalte mich beispielsweise mit der Pilgerin Traudi Stieglbauer. Das Gehen sei eine ihrer Leidenschaften, sagt sie, und ich kann ihre Begeisterung spüren. Wichtig sei es ihr auch, neue Menschen kennenzulernen. „Mein Motto ist es, dankbar zu sein. Dass man ohne Beschwerden gehen kann, ist nicht selbstverständlich.“ Auch Andrea Stockinger, die häufiger bei Pilgerungen der Pfarre Auwiesen dabei ist, freut sich über das Gehen in der Gruppe. „Ich bin überzeugt, dass man durch die Natur zur Ruhe kommt und die Gedanken freier werden.“ Im Alltag habe man nicht immer die Kapazitäten dazu, fügt sie hinzu. Was spannend für mich ist: Beide Pilgerinnen sind sich einig, dass auch das Alleinegehen wichtig sei. 

Mittlerweile haben wir Ebelsberg und eine Autobahnbrücke hinter uns gelassen, sind über einen winzigen Waldweg heraus auf weite Felder gestoßen. Zwar bleibe ich auf diesem Pilgerweg immer in der Gruppe, doch wie es ist, in der Stille zu gehen, erfahre ich nach der ersten Station. Wegbegleiterin Barbara Fuchsluger-Hannerer ruft zum Schweigen auf. Wenn es ruhig wird, kann es sein, dass es in dir laut wird – das gibt sie uns mit. Wo vorher Stimmen und Lachen waren, spricht jetzt das nasse Laub unter unseren Wanderschuhen. Meine Mitpilgerin Andrea hat Recht: Ich komme zur Ruhe, als ich den Blick über die gelben Blüten in den Feldern streifen lasse. Ich höre genau hin: wie das Gras unter meinen Schritten nachgibt, wie wir Pilgernden atmen. 

Das Pfeifen der Wegbegleiterin Iris Huber signalisiert auf einer Anhöhe das Ende der Stille, doch es braucht ein paar Sekunden, bis wir alle aus ihr auftauchen. Ich schließe auf zu Barbara, die die Gruppe mit dem Pilgerstab anführt. „Im Gehen bewegt sich etwas“, sagt sie. „Die Gedanken werden freier. Es ist mir wichtig, ein Ziel zu haben, an dem ich ankommen kann.“ In ihrer Funktion als Wegbegleiterin beim Frauenpilgertag sei es notwendig, das Tempo und die Pausen der Gruppe anzupassen. „Die Zeit zum Kennenlernen muss da sein.“ Möglichkeit dazu gibt es wenig später beim gemeinsamen Mahlhalten mit Brot und Traubensaft und einem Gebet vor dem Jahreszeitenhof in Gemering. Sonnenschein lädt bei diesem zweiten Programmpunkt zum Verweilen ein und stärkt für die letzte Etappe dieses Pilgerwegs. 

Das Ende ist bereits in Sicht – nicht nur, weil wir weniger als drei Kilometer zu gehen haben, sondern weil wir schon die beiden Türme des Chorherrenstifts in St. Florian hinter einem Hügel erspähen können. Die letzten Meter gehen wir durch ein kleines Waldstück, dessen Durchbruch uns mit einem Blick von oben auf das Stift belohnt. In der Stiftskirche ist es kühl und wir können uns während des Abschlusssegens auf den Bänken ausruhen. Ein letztes, gemeinsames Lied bildet den Endpunkt des Programms – wir sind angekommen. Als Gruppe. Ich bin erfüllt von den netten Gesprächen und gleichermaßen von der Ruhe des Schweigens genährt. Wir verabschieden uns, bedanken uns beieinander. Dafür, diesen Weg gemeinsam gegangen zu sein.

Pilgerberichte aus ganz Österreich

Lesen Sie hier die einzelnen Nachberichte unserer RedakteurInnen!

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 16.10.2023
  • Drucken