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04-05/24

Weihnachten: Wege aus der Stressspirale

Weihnachten: Wege aus der Stressspirale

Die Zeit vor Weihnachten mag für Kinder aufregend sein, für Erwachsene bedeutet sie aber oft Hektik. Immerhin soll alles besonders schön, harmonisch – und rechtzeitig „fertig“ sein. Wir zeigen Ihnen Wege aus der Stressspirale und einige Möglichkeiten, wie Sie zur Ruhe und Gelassenheit finden.

„Vorfreude, schönste Freude, Freude im Advent“ – so lautet ein bekanntes Weihnachtslied. Von süßen Düften ist die Rede, von Leuchten und Tannengrün und von Heimlichkeiten. Als Kind schien diese Zeit unendlich lange zu dauern, doch heute, viele Jahre später, kommt sie uns oft kurz und völlig überladen vor. Es sind viele Besorgungen zu machen – und die Familie soll auch noch unter den sprichwörtlichen Hut gebracht werden. Eigentlich schade, dass Ruhe, Genuss und Freude auf diese Weise meist zu kurz kommen.

„Es gibt ein paar Fallen, in die gerade Frauen gerne hineintappen. Perfektionismus ist so eine und der Wunsch, es allen recht zu machen. Häufig steckt ein innerer Antreiber dahinter und die Vorstellung, immer stark sein zu müssen und alles zu schaffen. Diese Frauen laden sich viel zu viel auf und können nicht nein sagen“, weiß die Psychologin und Kommunikationstrainerin Mag. Natalia Ölsböck.

„Es gibt ein paar Fallen, in die gerade Frauen gerne hineintappen. Perfektionismus ist so eine und der Wunsch, es allen recht zu machen.“

1. Loslassen

Nicht selten liegt die Latte der Anforderungen an sich selbst sehr hoch. Die Liste der vielen Verpflichtungen ist lang, auch deshalb, weil viele glauben, dass es sich so gehört und das Umfeld es so erwartet. Und weil es immer schon so war. Doch gerade wenn es hektisch wird, sollte man innehalten. „Es kommt darauf an, alles Schritt für Schritt zu machen und nicht schon in Gedanken beim nächsten zu sein. Das verursacht Stress“, so Ölsböck. Ihre Empfehlung: „Prioritäten setzen und den Mut haben, es vielleicht einmal anders zu machen. Dabei ist es nicht verkehrt, sich Unterstützung zu holen. Das bedeutet allerdings, auch Hilfe anzunehmen und loszulassen.“

Dafür ist freilich eine große Portion Toleranz notwendig. Immerhin hat jeder seinen eigenen Stil und Rhythmus. Und den muss man erst einmal akzeptieren. Frauen tun sich damit gelegentlich schwer, weil sie sich gern auf sich verlassen und wissen, dass es dann „richtig“ gemacht wird. Doch Aufgaben abzugeben und zu delegieren, schafft andererseits Freiraum. „Man muss bewusst den Mann oder die Kinder machen lassen und auch zu sich selber ‚nein’ sagen. Statt zu bevormunden kann so die Selbstständigkeit gefördert werden“, so die Psychologin.

Geduld ist gefragt und Überwindung, nicht einzugreifen, weil etwa die Umsetzung nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Ein Teufelskreis, der zudem bequem für die anderen ist. Stellt sich doch oft die Frage, wann frau das Handtuch wirft und unliebsame Dinge vielleicht wieder selbst erledigt.

2. Reserven einplanen

Abgesehen davon, Verantwortung aus der Hand zu geben und zu teilen, wird der Faktor Zeit häufig falsch eingeschätzt. Die verschiedenen Besorgungen und Aufgaben, die anstehen, werden zu knapp bemessen. Hier müsste viel großzügiger agiert werden. Ölsböck: „Eine genaue Planung ist wichtig, man darf dabei nur nicht vergessen, auch ausreichend Puffer einzuräumen. Selten werden etwa Wegzeiten zum und vom Einkaufen dazugerechnet oder unvorgesehene Dinge berücksichtigt, die das Zeitkonzept über den Haufen werfen.“

In der Fachliteratur werden diese Zeitfenster sehr unterschiedlich eingeschätzt – sie variieren zwischen 30 und 70 Prozent zusätzlicher Zeit, die Teil der Kalkulation sein sollten.

3. Entschleunigen

Eine weitere Empfehlung der Expertin: sich bewusst Zeit nehmen und dabei überlegen, was einem persönlich wichtig und wertvoll ist. Dadurch erhält man eine Art Wegweiser, der Ziele vorgibt, auf die man fokussiert. „Zeit fürs Ich“ nennt es Natalia Ölsböck. Dazu müsse man in sich hineinspüren und herausfinden, wozu man Lust hat. „Dieser Freiraum für das Ich und Selbst ist ganz wichtig. Er sollte fix im Kalender eingeplant werden und die gleiche Priorität bekommen wie jeder andere Termin.“

Bei dieser Extra-Zeit darf es sich um keinen verplanten Termin handeln, wie eine Massage oder ein Kinobesuch, die auch schön sind. Vielmehr sind es Momente zum Entschleunigen, die in den Tagesrhythmus eingebaut werden. Dazu zählen etwa in der Früh ein Buch lesen, um sich positiv einzustimmen, Bewegung zu Mittag oder eine kurze Entspannungsmeditation zwischendurch. „Das ist wichtig zum Auftanken. Wie viel Zeit man dafür verwendet – ob eine Viertelstunde oder eine Stunde – spielt keine Rolle. Im Vordergrund steht das bewusste Wahrnehmen des Moments und die Qualität, nicht Quantität.“

„Dieser Freiraum für das Ich und Selbst ist ganz wichtig. Er sollte fix im Kalender eingeplant werden und die gleiche Priorität bekommen wie jeder andere Termin.“

4. Gelassenheit üben

Das Zaubermotto schlechthin heißt „Gelassenheit“. Denn diese innere Haltung ist besonders wichtig, um nicht in den Strudel aus Stress und Hektik zu geraten. Das Wort stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet ursprünglich sich niederlassen, ruhig und maßvoll. Gelassenheit ist eine innere Kraft, die am intensivsten zu spüren ist, wenn man entspannt ist. Sie erfordert Loslassen – und gerade das fällt vielen schwer. Als eine Art Bremse wirkt dabei häufig das übermäßige Verantwortungsgefühl für andere – weniger für sich selbst. Wichtig daher: Öfter mal „Nein“ sagen – das reduziert den Stresslevel, schafft Freiräume und hilft, (wieder) in Balance zu kommen.

5. Rituale

Nützlich auf dem Weg aus der Stressspirale sind nicht zuletzt Rituale. Ein gemeinsames Abendessen etwa, bei dem man die Zeit miteinander „mit Leib und Seele genießt“. Dabei stellt sich das Gefühl der Zufriedenheit und des gemeinsamen Erlebens fast automatisch ein.

Und gerade in der Weihnachtszeit bieten sich noch zusätzliche Bräuche an. Bei Kindern etwa sich gemeinsam hinsetzen und (vor-)lesen, miteinander singen oder musizieren und natürlich spielen. Noch stimmungsvoller und gemütlicher wird es, wenn man dabei eine Kerze oder Duftlampe anzündet. Der Vorteil: Diese Rituale bringen nicht nur Ruhe in die eigenen vier Wände, sondern verbreiten auch eine heimelige Atmosphäre und machen Lust auf Weihnachten.

Mag. Natalia Ölsböck

Foto beigestellt

Natalia Ölsböck ist seit rund 20 Jahre als Freiberuflerin tätig. Sie coacht UnternehmerInnen, Führungskräfte und MitarbeiterInnen. Seit 2010 lehrt sie an der Österreichischen Akademie für Psychologie (ÖAP) die Fächer Positive Psychologie, Psychohygiene und Resilienzförderung.

Sieben Wege aus der Stressfalle

Praktische Tipps für den Adventalltag – von der Psychologin Natalia Ölsböck
  1. Perfektionismus. Statt „ich möchte es perfekt machen“ umwandeln in „ich möchte mein Bestes geben“. Das ist realistischer. Rechtzeitig beginnen, Listen zu schreiben (z.B. für Geschenke, Dekoration, etc.) und Schritt für Schritt umsetzen. Nicht Weihnachten über Nacht zaubern.
  2. Entspannung. Gute Übung für zwischendurch: Sich hinsetzen, die Augen schließen und auf die Atmung achten. In sich hineinhorchen (wie atme ich) hilft, im Hier und Jetzt zu sein.
  3. Sinne. Im Wort besinnlich steckt auch sinnlich: Bewusst die Sinne einsetzen. Das entspannt und lässt uns im Augenblick verweilen. Also auf Farben und Formen ringsum bewusst achten, auf Geräusche und Töne. Was kann ich gerade spüren, wie fühlt es sich an? Was kann ich sonst wahrnehmen, riechen, schmecken? Solche kurzen Pausen sind gut fürs „Batterieaufladen“.
  4. Emotion. Weihnachten ist eine emotionell aufgeladene Zeit. Daher in der Familie ein Codewort ausmachen, z.B. „Apfelkuchen“, das jeder für eine Auszeit verwenden kann, etwa um „runter“ zu kommen, wenn die Stimmung kippt oder sich ein Streit anbahnt. Das geht auch: Gelbe oder rote Karte wie im Fußball verteilen und so mehr Rücksichtnahme einfordern.
  5. Kommunikation. Vorbeugend eine Gesprächskultur entwickeln und trainieren, um dann mit Krisensituationen besser umgehen zu können. Wichtig ist, zuhören zu können (3 bis 5 Minuten – ohne den anderen zu unterbrechen).
  6. Einkäufe. Statt mehrere kleine Weihnachtseinkäufe zu erledigen lieber einen Tag in der Woche einplanen und sich Zeit nehmen. Das schafft Muße und Inspiration.
  7. Weihnachtspost. Entweder sehr früh anfangen zu schreiben oder bewusst erst später verschicken (z.B. ein persönliches Kärtchen mit Wünschen zum Neuen Jahr).

Zündstoff: die Familienbande

Zu Weihnachten treffen die Erwartungen und Vorstellungen von Menschen aus unterschiedlichen Generationen aufeinander. Der Wunsch nach Harmonie und stimmungsvoller Atmosphäre ist beim „Fest der Liebe“ groß. Das kann Stress erzeugen und Konflikte verursachen. Enttäuschungen sind dabei fast programmiert.

  • Planung. „Hier hilft, im Vorhinein eine kleine Familienkonferenz abzuhalten und dabei zu überlegen, was wichtig für jeden einzelnen ist und wie man zu einer Übereinkunft gelangen kann“, empfiehlt die Psychologin. „Jeder darf sagen, was er sich unter einem gelungenen Familienfest vorstellt und wie es ablaufen soll. Dann ist die Chance groß, etwas neu zu gestalten.“
  • Festessen. Frauen stellen mitunter hohe Anforderungen an sich selbst, wie das Festmenü aussehen soll. Dabei will die Familie vielleicht gar nicht, dass die Mutter stundenlang in die Küche verschwindet und eine Delikatesse nach der anderen zaubert. Vielleicht ist es einmal besser, auf kulinarische Höhepunkte zu verzichten: Statt mehrerer Gänge gibt es Fondue oder Raclette und alle sitzen dafür gemütlich beisammen und haben Zeit füreinander.
  • Geschenke. Die Erwartungen sind hoch, oft will man sich gegenseitig noch übertreffen. Notwendige Anschaffungen (z.B. Ski) sind vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt besser geeignet, weil der Druck wegfällt, das gleiche Budget auch für das Geschwisterkind ausgeben zu müssen
  • Tipp: Schenken Sie Zeit – sie ist kostbar, weil niemand welche hat. Bei Kindern etwa für einen Ausflug oder einen Zirkusbesuch, aber auch einfach nur so, ohne speziell an einen Event gebunden zu sein. Wie und ob geschenkt wird, sollte in der Familienkonferenz besprochen werden.

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Zeit der Erwartung und Ankunft

Der Advent hat seinen wörtlichen Ursprung im Lateinischen (= adventus) und heißt übersetzt Ankunft. Die frühen Christen übernahmen den Begriff vom griechischen Wort „epiphaneia“ (Erscheinung). So gilt die Adventzeit auch als Anfang des Kirchenjahres, beginnend mit dem ersten Adventsonntag zwischen 27. November und 3. Dezember. Diese festlich begangene Zeit vor Weihnachten wird mit Vorbereitung und Erwartung verbunden und ist der Ankunft Christi in der Welt gewidmet. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie als Fastenzeit gefeiert.

Papst Gregor der Große war es, der im 7. Jahrhundert die Dauer der Adventzeit auf vier Wochen festlegte. Damit sollte die nach biblischer Rechnung 4.000-jährige Wartezeit auf den Erlöser symbolisiert werden. Die vier Sonntage im Advent stehen für ein bestimmtes Thema: der erste ist dem Einzug Jesu in Jerusalem gewidmet, der zweite der erhofften Wiederkunft des Erlösers, der dritte Johann dem Täufer als Vorläufer Jesu Christi und der vierte dem Lobgesang Marias.

Erschienen in der „Welt der Frauen“-Ausgabe Dezember 2010
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  • Veröffentlicht: 28.11.2021
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