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04-05/24

„War die Urli eigentlich auch mal eine Frau?“

„War die Urli eigentlich auch mal eine Frau?“

Gedanken zum Frausein in Zeiten der Krise

„War die Urli eigentlich auch mal eine Frau?“, fragte unsere Jüngste neulich, denn „jetzt ist sie ja eine Uroma.“ Natürlich ist die Uroma eine Frau, eine ziemlich toughe 94-jährige noch dazu! Sie musste in ihrem Leben ganz andere Krisen meistern als wir. Krieg, Kinderkrankheiten, eine Tochter, die viel zu früh an Krebs starb, und auch ihr Mann ist schon seit mehr als drei Jahrzehnten tot. Sie ist sehr gläubig, zur Sonntagsmesse ist sie bis vor kurzem noch selbst mit dem Auto gefahren. Mit den Verkehrsregeln nahm sie es im übrigen nie ganz so streng.

Sie sagt immer sehr unverblümt, oft mit einer gewissen Härte, was sie denkt, was vor allem bei den eigenen Kindern auf Unverständnis stoßt … eine Verwandtschaft zu mir ist nicht von der Hand zu weisen. Sie kann aber andererseits auch gut einstecken. Und: Sie kann Lebensumstände besser akzeptieren oder tolerieren, als ich das gerne möchte.

Wo wir uns ganz und gar uneins sind, ist das Verhältnis zu Männern. Heiraten und Kinderkriegen standen und stehen für sie immer an erster Stelle. Den Männern hat man als Frau zu dienen. Aber dass die Männer unserer Generation zumindest ihre Kinder füttern oder wickeln, wird wohlwollend zur Kenntnis genommen. Der Opa damals ist im Wirtshaus sitzen geblieben, als er die Hebamme holen sollte, denn: „Es wird sowieso wieder nur ein Mädel.“

Dank starker Frauen, die sich für unsere Rechte und Chancen eingesetzt haben, haben wir uns weiterentwickelt. Aber gerade in unserer derzeitigen Situation erleben wir eine Renaissance alter Rollenmodelle: „Und wer holt uns nach Corona da wieder raus?“,  fragt Barbara Tóth im Falter.

Women at the core of the fight against COVID-19crisis“ lese ich bei der OECD, öffentlichkeitswirksam sehe ich jedoch nur Männer die Krise meistern. Warum Frauen nicht so gefragt sind, obwohl sie den überwiegenden Teil der systemrelevanten Arbeit bewältigen, schreibt Mareice Kaiser, Edition F.

Allzuviel Zeit habe ich allerdings auch nicht, mich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Aber während ich zwischen meinen Vollzeitbeschäftigungen rotiere, liest mein Mann den Kindern Geschichten von Frauen vor, die die Welt verändert haben. Gut so.

Andrea Trawöger

lebt mit Mann Norbert & den Töchtern (3 & 6 Jahre) in einer Wohnung in der Linzer Innenstadt.
Nervenstatus: zwischen Feministin & Hausmütterchen.
www.trab.at

Foto: Volker Weihbold

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  • Veröffentlicht: 20.04.2020
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