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04-05/24

CBD: Hokuspokus Cannabis?

CBD: Hokuspokus Cannabis?

Cannabis gilt als das neue Wundermittel. Es soll Schlaf- und Angststörungen, Panikattacken, Stress, Migräne und Schmerzen wegzaubern und Symptome bei Multipler Sklerose, Alzheimer und Parkinson lindern. Aber stimmt das auch?

Zuvor waren Chiasamen, Gojibeeren, Weizengras und Algen die Superhelden, nun soll es Cannabis sein. Genauer gesagt Cannabidiol, kurz CBD. In vielen Medien steht – aber auch MedizinerInnen behaupten es –, dass es

  • angstlösend,
  • entspannend,
  • entzündungshemmend und
  • zellregenerierend

wirken und somit

  • Schlafstörungen,
  • Panikattacken,
  • Depressionen,
  • Psychosen,
  • Entzündungen,
  • Nebenwirkungen einer Chemotherapie und
  • Symptome bei Morbus Parkinson und
  • Alzheimer

lindern soll.

Ein Allheilmittel sozusagen, auf das auch Stars wie Jennifer Aniston, Gwyneth Paltrow und Kim Kardashian schwören und medial aufmerksam machen. Wer sich aber bereits im Geist einen Joint rauchen sieht, irrt. Denn bei Cannabidiol handelt es sich nicht um die Droge, also den in der Pflanze enthaltenen Wirkstoff Tetra hydrocannabinol, kurz THC, der für den Rausch verantwortlich ist. CBD ist sein Gegenspieler und ebenfalls Bestandteil von Cannabis.

In rund 200 Hanfshops österreichweit wird CBD als Tropfen, Öl, Creme, in Form von Zigaretten und Tee verkauft. Laut dem 2018 gegründeten „Wirtschaftsverband Cannabis Austria“ machen diese Läden jährlich mehr als 150 Millionen Euro Umsatz. Der Handel mit Hanf wird zu einem ernst zu nehmenden Wirtschaftszweig. Aber hilft das Mittel auch?

„Es gibt keine Wundermittel“

„Zuerst ist es wichtig, festzuhalten, dass CBD und THC unterschiedliche Wirkstoffe sind. Während THC berauscht, süchtig und sogar psychotisch machen kann, bewirkt CBD das Gegenteil“, sagt Kurosch Yazdi, Psychiater und Leiter der Suchtabteilung am Kepler Universitätsklinikum in Linz und Autor des Buches „Die Cannabis-Lüge“. Daher ist CBD im Gegensatz zu THC in Österreich auch frei verkäuflich. In natürlichem, nicht synthetisch hergestelltem CBD sei zwar ebenfalls THC enthalten, sagt Yazdi, allerdings in zu geringer Menge, um es zu spüren. „Bis zu 0,3 Prozent THC ist legal“, sagt er. „Es sollte akzeptiert werden, dass es keine Wundermittel gibt“, sagt Yazdi.

Die Cannabis-Lüge?

Immer wieder kämen Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt, die gehypt werden, weil ihnen eine allheilende Wirkung nachgesagt wird. Ein Arzt habe aber nach den Erkenntnissen der Wissenschaft zu arbeiten, und die besagten, dass CBD in der niedrigen Dosierung, in der es in den meisten Shops erhältlich ist, nicht wirkt. „Damit eine Wirkung eintritt, müsste von dem Wirkstoff eine große Menge eingenommen werden“, sagt Yazdi.

Eine Studie zeige, dass die tägliche Einnahme von 800 Milligramm CBD Symptome einer Schizophrenie verbessern kann. Auch bei bestimmten Formen der Kinderepilepsie erziele der Wirkstoff gute Erfolge, sagt Yazdi. Ob es bei weiteren Krankheiten und Beschwerden hilft, dafür gebe es keine ausreichenden Daten. Hoch konzentriertes CBD ist zudem teuer. Eine Zehn-Milliliter-Flasche mit zertifiziertem und hoch konzentriertem Öl bekommt man ab 80 Euro. Je mehr von dem Cannabinoid im Öl enthalten ist, umso tiefer muss man in die Tasche greifen. So kann die Flasche auch bis zu 300 Euro kosten.

Nur nach ärztlicher Aufklärung

Während Cannabidiol etwa in Deutschland und Finnland als Arzneimittel und nur gegen Rezept erhältlich ist, darf es in Österreich als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Ein Fehler, wie Yazdi findet. „Gibt es eine Hauptwirkung, kommt es auch zu Nebenwirkungen“, sagt er. Hoch konzentriertes CBD kann zu Übelkeit, Müdigkeit, Benommenheit und Konzentrationsschwierigkeiten führen.

Deshalb sollten die Produkte, sagt der Mediziner, nur nach ärztlicher Aufklärung verkauft werden dürfen. Damit ein Wirkstoff in Österreich als Arzneimittel verkauft werden darf, muss dessen therapeutische Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen werden, bei CBD reichten die Kenntnisse für eine Beurteilung aber nicht aus. Einzig das Medikament Epidiolex, das bei bestimmten Formen der Kinderepilepsie eingesetzt wird und 100 Milligramm CBD pro Milliliter enthält, wurde für ganz Europa, also auch in Österreich, als Arzneimittel zugelassen.

CBD – Wirkung bei Menstruationsbeschwerden

Die Gynäkologin Gudrun Lorenz-Eberhardt hingegen ist von der Wirkung von Cannabidiol überzeugt. Sie empfiehlt ihren Patientinnen, CBD in Form von Tropfen bei Menstruationsbeschwerden, Endometriose, Beschwerden in den Wechseljahren, bestimmten Hauterkrankungen, Unruhezuständen, Schlafstörungen, Abwehrschwäche und unterstützend bei viralen Erkrankungen einzunehmen.

CBD-Zäpfchen und Cremes empfiehlt sie bei Scheidentrockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, gehäuften Scheideninfektionen und begleitend bei häufigen Harnwegsinfekten. Meist reiche dabei eine niedrige Dosis aus, nur in seltenen Fällen sei eine höhere notwendig, sagt sie. Lorenz- Eberhardt empfiehlt, zertifiziertes CBD zu verwenden, das in Gewächshäusern angebaut wurde, weil Hanf schädliche Bodenrückstände wie Schwermetalle aufnimmt. Ihre Patientinnen kontrolliert sie während der Therapie alle zwei Monate. „Die Symptome haben sich bei vielen meiner Klientinnen verbessert“, bestätigt Lorenz-Eberhardt.

„Hilft’s nicht, schadet’s nicht“

„Nicht jeder Mensch spricht auf den Wirkstoff gleich an“, sagt Kurosch Yazdi. Während sich bei dem einen Beschwerden verbessern, merkt der andere oft überhaupt nichts. „Ich bin nicht gegen CBD, sondern nur gegen den Verkauf als Allheilmittel. Es ist besser, ein Mensch nimmt Cannabidiol und hat das Gefühl, weniger Schmerzen zu haben oder besser schlafen zu können, als dass er von starken Medikamenten abhängig wird.“

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass CBD laut wissenschaftlichen Erkenntnissen nur in hohen Dosen bei bestimmten Krankheiten wirkt. Dann müssen aber auch Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. Die meisten Handelsprodukte weisen eine zu geringe Konzentration auf, als dass sie wirken könnten. Wer diese günstigeren Cannabidiol-Produkte dennoch ausprobieren möchte, kann das tun. Denn wie der Psychiater sagt: „Hilft’s nicht, so schadet es zumindest nicht.“

Sind Cannabis, Haschisch und Co. dasselbe?

Die Cannabispflanze besitzt über 60 verschiedene chemische Cannabinoid-Verbindungen, die die körpereigenen Cannabinoid-Rezeptoren und dadurch Botenstoffe im Hirn beeinflussen können. Eine dieser Verbindungen ist das als Heilmittel verwendete CBD, eine andere das für seine Rauschwirkung bekannte THC.

Bei Hanf und seiner lateinischen Bezeichnung Cannabis handelt es sich um die gesamte Pflanze, also noch nicht um die Droge. Meist wird sie als Nutzhanf verwendet. Als Marihuana (auch Weed oder Gras) bezeichnet man die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabispflanze, die einen hohen THC-Gehalt haben, meist geraucht werden und berauschen.

Haschisch (Dope oder Hasch) ist das Harz der weiblichen Pfl anze, das ebenfalls THC enthält, zu Blöcken und Platten gepresst wird, ebenfalls geraucht oder zu Kuchen oder Keksen verarbeitet wird. Hanföl enthält weder THC noch CBD. Es wird aus Hanfsamen gewonnen, ist vor allem wegen seines hohen Omega-3 Fettsäure Gehalts bekannt und wird meist in der Küche, aber auch in Kosmetikprodukten verwendet.

Welt der Frauen April 2020Der Artikel ist in der Ausgabe April 2020 erschienen. Das Einzelheft können Sie hier nachbestellen.

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  • Veröffentlicht: 05.11.2021
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