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04-05/24

Arm im Alter – selbst schuld?

Arm im Alter – selbst schuld?

Kinder, Teilzeit, Scheidung, und schon schnappt die Falle zu: Viele Frauen sind im Alter arm, vor allem, wenn sie ohne Partner leben. Wieso hält sich das Problem so hartnäckig?

Auf die Stellenausschreibung „Reinigungskraft“ hätten sich fast 20 Frauen gemeldet, vier davon seien über 60 gewesen, also schon in Pension, erzählt eine Unternehmerin. Diese Frauen müssten sich etwas dazuverdienen, weil sie sonst nicht über die Runden kämen. Ein Blick in das persönliche Umfeld zeigt dasselbe Phänomen. Wenn Frauen zwischen 50 und 60 sind, sucht der langjährige Partner oft ein neues Glück. Zum Kummer über das Scheitern einer Liebe kommt bei vielen Frauen aber erst dann das bittere Erwachen: Sie tragen das volle Risiko, dass sie zugunsten der Familie beruflich zurückgesteckt haben und mit dem Arbeiten in Teilzeit die finanzielle Abhängigkeit vom Partner in Kauf genommen haben.

Häufig haben sie mit dem geringen Verdienst auch noch die täglichen Einkäufe bestritten, während der besser verdienende Mann die Kredite zurückgezahlt hat. Eine denkbar schlechte Ausgangslage im Fall einer Trennung. Nicht zu reden von jenen Frauen, die nicht verheiratet sind, daher im Todesfall keinen Versorgungsanspruch haben und trotzdem wenig Pension, weil sie der Kindererziehung wegen weniger in die Pensionskasse eingezahlt haben. Ein Teufelskreis. Man fragt sich, warum Frauen, auch junge, das nach wie vor einfach hinnehmen, die Augen zumachen und hoffen, dass ihnen im Ernstfall schon irgendeine Form von Wunder passieren werde. Sind Frauen, ganz hart gesagt, nicht erwachsen genug, auf eigenständige Absicherung zu bestehen? Warum verhandeln sie nicht mit dem Vater ihrer Kinder, ihnen in Form des Pensionssplittings einen Teil der späteren Pensionsansprüche zu übertragen? Warum bestehen sie nicht darauf, dass mit dem höheren Gehalt des Mannes für sie eine private Pensionsvorsorge eingezahlt wird, solange sie den Großteil der Familienarbeit macht? Fragt man nach, hört man von vielen: „Ach, wer weiß, ob ich überhaupt eine Pension bekomme!“ – „Und“, will man erwidern, „welche Alternative hast du dir dann überlegt?“ Andere klagen, dass es eben nicht anders gehe und ihnen die Familie das halt wert sei. „Ja“, will man antworten, „aber warum ist dir dann deine eigene Arbeit nichts wert, warum machst du sie gratis?“ Es greift zu kurz, nur die Einzelnen kritisch zu befragen. Warum unternimmt die Frauenpolitik in Österreich nichts, um Frauen endlich aus dieser Falle zu helfen?

Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Ist es nicht zynisch, zu sagen, es sei sozusagen Wahlfreiheit, dass Frauen sich mit Teilzeitarbeit und längerem Berufsausstieg selbst für die schlechte Versorgung im Alter entschieden hätten? Manche sehen derzeit bei jungen Frauen sogar eine Art von „Backlash“. Man heiratet wieder ganz romantisch, nimmt den Namen des Mannes an und geht sehenden Auges in die wirtschaftliche Abhängigkeit, sobald das erste Kind da ist. Dabei wird gut die Hälfte der Ehen geschieden. Nur wer sich auf eine strittige Scheidung einlässt, hat mit Glück auch Unterhalt zu erwarten. In der Regel wird nach einer Scheidung auch älteren Frauen die Aufnahme einer vollen Berufstätigkeit wieder zugemutet. Weil sie so lange vom Markt weg waren, dürfen es dann auch schlecht bezahlte Jobs sein. Warum führt man nicht verpflichtendes Pensionssplitting ein? Warum werden nicht Frauen ganz engmaschig und eindringlich beraten und unterstützt in ihrer finanziellen Lebensplanung? Warum obliegt es Ortskaisern, ob Kinderbetreuung ausreichend vorhanden ist? Warum gibt es so wenig Druck von Frauen auf die Politik? Warum warnen Mütter ihre Töchter nicht deutlicher vor dem, was ihnen im Alter blühen könnte? Wenn wieder eine Freundin um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten muss, weil ihr Mann sich in eine andere verliebt hat und die ganze Aufopferung für die Familie ihr finanziell nichts nützt, weil sie sich von ihrer Pension nicht einmal eine Wohnung wird leisten können, bin ich fast verzweifelt. Warum lassen Frauen sich das alles gefallen? _

Christine Haiden meint, es sei skandalös, dass Frauen unter Altersarmut leiden, weil sie die Familie versorgt haben.

Altersarmut bei Frauen

Die aktuelle mittlere Frauenpension betrug 2018 mit 834,00 Euro nur knapp 53 Prozent der durchschnittlichen Männerpension. Sie liegt unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz von aktuell 933,00 Euro für Allein­stehende und 1.048,00 Euro für Alleinstehende mit mindestens 360 Versicherungsmonaten. Die Armutskonferenz gibt die Armutsgefährdungsschwelle mit 1.238,00 Euro monatlich an. Ein Hauptproblem bei Altersarmut von Frauen ist, dass viele von ihnen im Alter zwischen 30 und 45 Jahren Teilzeit arbeiten, das zudem in schlecht bezahlten Branchen wie Büro und Verkauf tun. Um Familie und Beruf vereinbaren zu können, arbeiten 37,5 Prozent der Frauen in Teilzeit, aber nur 4,2 Prozent aller Männer. Fast 85 Prozent dieser in Teilzeit beschäftigten Frauen geben an, dass die Pflege und Betreuung in der Familie anders nicht zu machen sei, die Kinderbetreuungseinrichtungen fehlten oder zeitlich nicht mit einer Vollzeitstelle kombinierbar seien. Eine Teilzeitbeschäftigte mit mittlerem Einkommen erhält später eine Pension von rund 700,00 Euro.

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  • Veröffentlicht: 01.05.2019
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