Meine siebenjährige Tochter soll einen Aufsatz schreiben. Die Überschrift: „Daheim wegen Corona.“ Wir sitzen nebeneinander an ihrem Schreibtisch und ich zeige ihr, wie ich das mache, wenn ich einen Artikel schreibe. Wie ich auf einem Zettel Gedanken sammle und sie dann ordne. „Was machst du so? Wie geht es Dir?“ möchte ihre wunderbare Lehrerin wissen. Wir überlegen. Ja, wie ist das eigentlich, eingesperrt zu sein? Was machen wir so?
Die Kleinen wundern sich, warum wir nicht mehr auf den „Bielbatz“ dürfen, er ist jetzt mit rot-weiß gestreiften Plastikbändern abgesperrt. Sie haben gerade gelernt, das Wort auszusprechen. Dafür ist jetzt das Wohnzimmer ein improvisierter Spielplatz. Wir haben ein Planschbecken aufgestellt. Statt mit Wasser haben wir es mit Polstern gefüllt und die Kinder hüpfen vom Sofa aus in die Fluten aus Stoff. Der hässliche Wäscheständer, der sonst versteckt in einer Ecke steht, ist mit Decken zu einer kuscheligen Höhle geworden, in der sich die drei verkriechen, um zu lesen und Bilderbücher anzusehen.
Manchmal telefoniert meine Tochter mit ihren Freundinnen, sie klingen dabei eigenartig. Nicht wie sonst. Eher wie Erwachsene. Plötzlich kichern sie los und die Welt scheint für einen Moment fast wieder normal zu sein.
In der letzten Zeit ist viel die Rede davon, dass Eltern überfordert sind. Und wie geht es den Kindern?
Meine Tochter notiert ein paar Stichworte, dann soll ich rausgehen, weil sie in Ruhe arbeiten will. Die Kleinen schlafen, und ich setze mich an den Computer. Ich habe viel zu tun. Noch.
Nach einiger Zeit kommt sie und zeigt mir, was sie geschrieben hat. „Ich finde das Virus blöd“, lautet ihr erster Satz.
Heute Morgen am Frühstückstisch haben mein Mann und ich uns darüber unterhalten, wie wichtig kritischer Journalismus jetzt ist. Meine Tochter wollte wissen, was wir damit meinen, und ich habe versucht, es ihr zu erklären: Bei einem Problem gibt es oft verschiedene Lösungen und die JournalistInnen müssen die PolitikerInnen fragen, warum sie gerade diese Lösung gewählt haben. Sie hat einen Moment lang überlegt, dann hat sie gesagt: „Jetzt ist das Virus das Problem.“
Ich sitze an meinem Schreibtisch und lese den fertigen Text meiner Tochter. Eine ganze Seite hat sie in ihrer schnörkeligen Schulkindschrift vollgeschrieben. „Manchmal ist mir ein bisschen langweilig“, steht am Schluss. „Aber mir geht es gut.“
Saskia Blatakes
lebt in einer Wohnung am Wiener Stadtrand. Sie hat eine siebenjährige Tochter und einjährige Zwillinge.
Nervenstatus: Ommmmm
Arbeitet als selbstständige Journalistin.
www.torial.com/saskia.blatakes
Foto: Luzia Puiu