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03/24

Buchempfehlung: „Sommerschwestern“

Buchempfehlung: „Sommerschwestern“

Hier wird der Erzählstoff fein gewebt, das Ernste hat Platz neben dem Heiteren, die Heiterkeit kommt der Trauer nicht in die Quere. 

Die Wahrheit ist ein Haus mit vielen Räumen

Auch wenn der Roman in einer Ferienidylle, in einem kleinen Dorf in Holland am Nordseestrand spielt, ist er nicht heiter oder oberflächlich zu nennen. Denn das Reisegepäck der vier Schwestern und ihrer Mutter ist „heiß“, jede hat ihre Gedanken, Träume, Verletzungen und Erfahrungen neben Sonnencreme und Badeanzug eingepackt. Vier unterschiedliche junge Frauen stehen ihrer Mutter mit ihren Forderungen, Übergriffigkeiten und wie sich herausstellt, auch Geheimnissen, gegenüber. Aber ein wenig idyllisch ist es dann dazwischen schon auch!

Wenn die Mutter eine kryptische Einladung an ihre vier Töchter ausspricht, die Reise an die Nordsee, in eine vertraute Gegend gehen soll, dann ist der Erzählstoff ausgerollt: Hier wird fein gewebt, das Ernste hat Platz neben dem Heiteren, die Heiterkeit kommt der Trauer nicht in die Quere. Die vier sehr unterschiedlichen jungen Frauen kommen im malerischen Ort Bergen an der holländischen Küste an: Was will die Mutter mit und von ihnen. Warum hat sie den Grund des Treffens so auffällig verschwiegen?

Man muss, um dieses Erstaunen zu verstehen, wohl wissen, dass die Familie Jahr für Jahr hier am Campingplatz Urlaub machte, die Mädchen sich federleicht zwischen Campingplatz, dem Dorf und dem Strand bewegten, ihre Freiheiten genossen und schweren Herzens wieder zurück nach Köln fuhren. Als der Vater auf dem Weg zum Strand tödlich verunfallt, zerbricht dieses Sommer-Glück, die Schwestern verarbeiten unterschiedlich den Unfall, den Tod, den Verlust.

„Obwohl die Porträts ihre Anwesenheit bei allen Familienaktivitäten eindrucksvoll bewiesen, konnte Amelie sich kaum an die Holland-Trips erinnern. Weder an Tulpen noch an den Zoo oder an Unternehmungen mit ihrem Vater. Als ob jemand die Ordner Papa und Holland auf ihrer Festplatte gelöscht hatte.“
Seite 25

Dieser Roman bietet auch Mutter-Töchter-Konflikte, zeigt, wie reizbar die erwachsenen Töchter gegenüber der mittlerweile 67-jährigen Mutter sind, die es ihrerseits nicht lassen will, sich in das Leben der vier Frauen einzumischen. Sie glaubt noch immer zu wissen, was gut für die Einzelne ist und gibt ungefragt ihre Kommentare ab.

„Ihre Wahrheiten über die Familiengeschichte würden sich vielleicht nie denken. Es war an der Zeit, sich von ihrer Mutter zu verabschieden und ihre eigene Geschichte zu erzählen.“
Seite 291

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen

Humor, witzige Szenen, die Sie an Ihren eigenen Alltag erinnern, Lebensfragen, Lebensstationen, die Unterschiedlichkeit der Lebensläufe dieser hier skizzierten Frauen im Familienverband, Fragen zu Krankheit, Alter und Tod sind ehrlich angesprochen und werden im Verlauf der Handlung auch nicht schön- oder kleingeredet

Monika Peetz

Die Autorin, 1963 geboren, ist Schriftstellerin, Filmproduzentin und Drehbuchautorin. Mit ihrem 2010 erschienen Roman „Die Dienstagsfrauen“ wurde sie nicht nur schnell bekannt, dieser Buchtitel ist mittlerweile bekannter als die Autorin selbst. Ihre weiteren Bücher und ihre Filme schließen an diesen Erfolg an, auch zahlreiche „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Folgen betreute sie als Dramaturgin.

Monika Peetz
Sommerschwestern.
Roman.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2022.
304 Seiten.
ISBN 978-3-462-00212-6

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

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  • Veröffentlicht: 04.05.2022
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