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03/24

Zuckerfreie Familie: Weg mit dem Zucker!

Zuckerfreie Familie: Weg mit dem Zucker!

Wie eine zuckerreduzierte Ernährung in der Familie gelingen kann und warum man bei Süßstoffen vorsichtig sein sollte.

Julias Familienrat

Julia Langeneder: Du lebst mit deiner Familie zuckerfrei – geht das überhaupt?
Marianne Falck: Es geht gut. Wir sind ein zuckerfreier Haushalt, das heißt, wir haben keinen Zucker zu Hause. Auswärts ist es mit Kindern aber eine große Herausforderung.

Schon vor der Familiengründung hast du auf Zucker verzichtet – was war für dich hier der Anstoß?
Falck: In meiner Jugend und als Studentin hatte ich immer wiederkehrende, langwierige Atemwegsinfekte. Ich suchte mir einen Allgemeinarzt, der mich im Sinne einer ganzheitlichen Sichtweise therapierte. Er fragte mich auch zu meiner
Ernährung und riet, den Zucker wegzulassen. Das hieß, kein zugesetzter Zucker zu Lebensmitteln, auch keine Bananen, keine Fruchtjoghurts und keine Säfte. Sechs Wochen lang. Danach fühlte ich mich fitter, konzentrierter, und die schweren Atemwegsinfekte kamen nicht mehr.

Daniela, du bist Mutter von vier Kindern – wie haltet ihr es mit dem Zucker?
Daniela Pecnik: Beim ersten Kind habe ich sehr darauf geachtet, alles richtig zu machen, und im ersten Lebensjahr habe ich Zucker gänzlich vermieden. Ich koche und backe sehr gerne, und zwar immer zuckerreduziert. Wir haben einen Biobauernhof mit viel Obst und Gemüse, die Kinder naschen sehr gerne draußen auf dem Feld, wie zum Beispiel Heidelbeeren oder Tomaten, die ja auch süß schmecken. Wichtig sind mir regelmäßige Essenszeiten, dann ist das Verlangen nach Süßem gar nicht so da.
Falck: Regelmäßige Mahlzeiten sind bei uns auch sehr wichtig. Wenn wir unterwegs sind, nehme ich Kleinigkeiten mit, wie Beeren oder Käsewürfel.

Julia Langeneder

Julia Langeneder, ­
Familienredakteurin und Mutter von zwei Kindern, lädt jeden Monat zum Familienrat ein.

Was ist, wenn die Großeltern zu Besuch kommen oder wenn es ein Geburtstagsfest gibt?
Falck: Bei einer Geburtstagsfeier darf es auch einmal ein Stück Kuchen sein. Ich nehme aber oft zuckerfreie Kleinigkeiten als Mitbringsel mit, und wir haben das Glück, dass meine Freundinnen und Freunde sehr bewusst auf die Ernährung
achten. Meine Mutter verwendet Zucker ebenfalls sehr sparsam.
Pecnik: In meinem Umfeld ist bewusste Ernährung noch nicht so angekommen, als Biobauern sind wir eher Einzelkämpfer. Wenn die Kinder auswärts essen, muss ich öfter ein Auge zudrücken. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass meinen Kindern viele Kuchen und Torten, die sie auswärts essen, zu süß sind. Ich setze auf gute Grundnahrungsmittel, dann braucht man den Zucker nicht unbedingt.

Was ist mit Honig, Birkenzucker oder Süßungsmitteln wie Stevia?
Falck: Stevia und Birkenzucker verursachen keine Karies, Stevia hat keine und Birkenzucker weniger Kalorien, aber es gibt noch keine aussagekräftigen Langzeitstudien zum Konsum bei Kindern, daher bin ich skeptisch. Ich verwende gerne echtes Vanillepulver und Ceylon-Zimt, um den süßen Geschmack von Speisen zu verstärken, und ich süße – wenn überhaupt – mit Reissirup, der keine Fruktose enthält, oder mit etwas Obst.
Pecnik: Zuckerersatzstoffe sind für mich ein No-Go. Stevia wird chemisch produziert, auch importierter Agavendicksaft kommt mir nicht ins Haus. Mein Vater ist Imker, und so bekommen wir naturbelassenen, besten Honig, ansonsten verwende ich Biorübenzucker aus Österreich.

Was sind die größten Zuckerfallen?
Falck: Softdrinks, Fertiggerichte, aber auch Säfte. Die WHO empfiehlt für Kinder drei Teelöffel Zucker pro Tag. Ein Glas Apfelsaft enthält sechs Teelöffel Zucker!
Pecnik: Wir trinken hauptsächlich Wasser und manchmal auch Getränke mit hausgemachtem Sirup. Fertiggerichte gibt es bei uns nicht. Ich schenke auch nichts Süßes her, wir richten etwa Geschenkkörbe mit Gemüse her.

Wie kann eine Ernährungsumstellung in der Familie gelingen?
Falck: Ich rate zur schrittweisen Zuckerreduktion, zum Beispiel, indem man die Saftmischung im Verhältnis eins zu drei verdünnt. Wichtig ist, dass die Eltern mitmachen. Teenager haben oft viel Verständnis für Ungerechtigkeiten. Man kann ihnen erklären, dass es Firmen gibt, die große Gewinne machen mit einem Essen, das uns nicht stark macht. Auch Reportagen oder Dokumentationen kommen bei Teenagern gut an.
Pecnik: Gut ist, wenn die Eltern den Kindern erlauben, in der Küche mitzuarbeiten. Als Seminarbäuerin bin ich öfter in Schulen und erlebe immer wieder, dass Viertklässler nicht richtig mit dem Messer schneiden können. Einmal habe ich 16-Jährige Tomaten verkosten lassen, ich habe sie nach Tomatensorten gefragt, und sie kannten nur die Ochsenherztomate.

Was wünschen Sie sich von der Politik?
Falck: Zucker ist schädlich und er macht uns abhängig. Er führt zu Diabetes Typ 2, Karies, Übergewicht und in der Folge sogar zu Krebs. Mein Wunsch ist, dass die Politik das ernst nimmt.
Pecnik: Gesundheit sollte von der ersten Klasse Volksschule an ein Unterrichtsfach sein. Und es sollte mehr ehrliche Produkte auf dem Markt geben. In den Geschäften gibt es drei, vier Tomatensorten, aber zehn verschiedene Chips- Packungen.

Julias Gäste

 

Daniela Pecnik 

ist Biobäuerin und Seminarbäuerin, Ernährungswissenschaftlerin, Lehrerin
und Mutter von vier Kindern (6 bis 12 Jahre).

 

Marianne Falck

ist Journalistin, Autorin („Zuckerfrei von Anfang an“, Heyne Verlag),
Filmemacherin sowie Mutter von zwei Kindern (2 und 5 Jahre).

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Dann schreiben Sie an
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  • Veröffentlicht: 12.11.2021
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