Was einem beim Säubern von Sternen so alles passieren kann! Rückenweh zum Beispiel. Und Erleuchtung – wie erstaunlich.
Gestern habe ich einen Stern geputzt. Das war zäh. Aber jetzt ist er sauber. Und in Verwendung, dreifach sogar. Ich freue mich, lehne mich zurück und denke nach, denn ich ahne, dass mir das, was ich gestern erlebt habe, etwas sagen will. Was, das weiß ich noch nicht.
Damit Sie verstehen: Der Stern war gezeichnet, er ist Teil eines größeren Bildes. Ich hatte ihn ausgeschnitten und wollte ihn anderweitig verwenden. So saß ich am PC und putzte sein Gelb, in dem – vom großen Bild mit importiert – hellgraue Sprengsel hingen. Klickediklick, mit der Maus auf jeden Punkt, nur nicht danebenzielen, weil der „Zauberstab“ nichts verzeiht, der Stern sonst gelöscht wird und man (im Gratisprogramm) wieder neu anfangen muss. Ich war fast fertig. Aber das merkte ich nicht, weil ich nur an die beiden Sterne dachte, die ich danach noch säubern wollte. Ein Berg Arbeit, noch mindestens 200 Klicks! Mein Rücken schrie: „Feuer!“ Egal.
Kennen Sie ihn auch, diesen Ehrgeiz?
Dieses Verbissensein, das sich in alle Fasern krallt? Und ist Ihnen auch schon einmal so etwas passiert: dass Ihnen gerade dann, wenn das Durchhalten unmöglich wird, auf einmal ein Licht aufgeht? Dass sich wie aus dem Nichts eine Lösung zeigt? Eine, die das Scheitern zum Erfolgserlebnis macht und so naheliegend ist, dass man lachen muss?
Meine gestrige Lösung war trotzig:
„Warum nicht schummeln?“
Freiwillig ändern
Den einen Stern drehen, verkleinern und dreifach verwenden? „Merkt doch kein Mensch“, dachte ich. Wenn ich ehrlich bin und heute auf mein Sternbildchen schaue, merke ich es nicht einmal selbst. Was mich jetzt zum Nachdenken bringt, ist nicht meine Lösung, die ja wirklich nahe lag, sondern das Gefühl, mit dem ich die letzten paar Sprengsel putzte, nachdem ich mich entschieden hatte, es danach gut sein zu lassen. Was eben noch mühsam gewesen war, machte nun Freude. Was mich verzweifeln ließ, ging plötzlich ganz leicht. Warum? Ich glaube, es war die Freiwilligkeit, die alles veränderte.
Der Abschied vom „Ich muss“. Er machte mich mutig: Wer auf zwei Sterne verzichtet, könnte es eigentlich auch mit ein paar Sprengseln gut sein lassen, nicht wahr? Die Welt ging nicht unter. Mein Stern war längst sauber genug. Das Putzen war nun nur noch Kür, ein fröhlicher Tanz. Ich tanze weiter. Und nehme den Gedanken mit in die kommende Woche: Was genug ist, entscheide ich. Und was ich danach tue, auch. Wer sagt, dass „genug“ das Ende ist? Danach kommt immer noch viel, wenn ich will. Vielleicht viel mehr, als mein Müssen jemals von mir verlangt hätte.
Barbara Pachl-Eberhart
Barbara Pachl-Eberhart werkt derzeit vor allem in ihrer „LieblingsLebensgefühlsManufaktur“ – wenn sie nicht gerade Himmelskörper poliert.
Barbara Pachl-Eberhart ist Autorin, Vortragende und Dialogprozessbegleiterin, Schreibtrainerin sowie Ehrenbotschafterin der Rote Nasen Clowndoctors. Mehr auf Ihrer Website LieblingsLebensgefühlsManufaktur
Barbara Pachl-Eberhart im Gespräch mit Christine Haiden über die Vergleichbarkeit von Krisen, über Graustufen & Überraschungen: „Man darf alles, was einem gut tut“.
Foto: Alexandra Grill // Erschienen in „Welt der Frauen“ Dezember 2020