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04-05/24

Buchempfehlung: „Es geschah im November“

Buchempfehlung: „Es geschah im November“

Wie erklärt man seinem Kind, dass man zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil man im November 1989 mit dem Ehemann für den Wandel demonstriert hat?

Lügen und viele ungelesene Briefe

26 Briefe schreibt die inhaftierte Marie, genannt Maja, an ihre Tochter, immer im Glauben und in der Hoffnung, dass die Kleine noch bei den Großeltern lebt und die Briefe vorgelesen bekommt. Weder Maja noch ihr Mann waren politisch aktiv, aber die Idee des Wandels fanden sie gut. Dass ihre Tochter Magdalena den Großeltern weggenommen und in ein Umerziehungslager gesteckt wird, wissen und erfahren sie lange Zeit nicht.

„Was in der Welt oder in der Hauptstadt geschah, erfuhr man in kleineren Städten erst mit Verspätung. Allgemein war bekannt, dass die offiziellen Nachrichten in Presse, im Radio und Fernsehen einfach nur offiziell waren, was ein Äquivalent des Wortes ‚zensiert’ war.“
Seite 30

Maja schreibt an ihre Tochter, während die Nachbarn und ihre Eltern die Lüge aufrechterhalten, sie lebe noch im Dorf. Man möchte ihr, der jungen Frau, den letzten Grund zum Leben einfach nicht nehmen. Die Gelegenheit, der Inhaftierten die Wahrheit zu sagen, hat sich nie ergeben.

Nach ihrer Entlassung schlägt sich Maja durchs Leben und landet unter anderem bei einer Kräuterfrau, die ihr all ihr Wissen mitgibt und ihr so eine neue Existenzgrundlage schafft. Doch wieder sind es Missgunst und Lügen, die sie an der Verwirklichung ihrer Träume hindern. Obwohl sie das Häuschen des Kräuterweibleins rechtmäßig erworben hat, macht ihr die Suchankova das Leben schwer und behauptet, das Haus zu günstig gekauft zu haben.

Maja und ihr Mann Zybsek werden von der Dorfbevölkerung zunehmend ignoriert, bis schließlich ihre gemeinsame Tochter Klara aus der Schule gelaufen kommt und erzählt, dass ihre Mutter verdächtigt wird, die alte Kräuterfrau vergiftet zu haben. „Lass uns in den Westen fliehen!“, lautet daraufhin die Hoffnung des Mannes auf eine bessere Zukunft.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen:

historische Fakten und ihre Auswirkungen auf die Geschicke offensichtlich unbeteiligter Menschen, Fragen nach Mehrheitsgesellschaft und Zivilcourage, tiefes Berührtsein vom Zerbrechen einer Familie und deren Schmerz, Wut über das Eingreifen des Staates.

Die Autorin Alena Mornštajnová

ist 1963 geboren und studierte Englisch sowie Tschechisch an der Universität Ostrava. Sie arbeitete als Übersetzerin und Lektorin für Englisch, lebt als Autorin in Mähren und hat fünf Romane und drei Kinderbücher geschrieben.

Die Übersetzerin Raija Hauck

ist 1962 geboren, studierte Slawistik in St. Petersburg und Brno und lebt als freie Übersetzerin in Saarbrücken.

Alena Mornštajnová: :
Es geschah im November. Aus dem Tschechischen von Raija Hauck.
Klagenfurt: Wieser Verlag 2022.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmäßig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

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  • Veröffentlicht: 04.07.2023
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