Aktuelle
Ausgabe:
Zeit
07-08/24

Ein gutes Netz braucht keinen doppelten Boden

Warum ist ein gutes Netzwerk gerade für die Karriere von Frauen so wichtig? Wie macht frau es richtig und was macht mann anders? Und warum müssen wir immer noch darüber sprechen? Eindrücke eines Netzwerktreffens für Frauen, an dem es erstaunlich oft um Männer ging.

An einem lauen Sommerabend im August treffen sich an die 90 Frauen in der Wachau zum Erfahrungsaustausch. Sie alle sind Teilnehmerinnen an zwei erfolgreichen Mentoring-Programmen, die von der Landesregierung Niederösterreich exklusiv für Frauen ins Leben gerufen wurden. Ein klassisches Netzwerktreffen also, das sich an diesem Abend selbst zum Thema macht. Denn Frauen müssen sich nach wie vor Gedanken machen, wie ihre Leistungen in der Arbeitswelt sichtbar werden. Dies passiert nicht zuletzt über eine gute Vernetzung, vor allem auch von Frau zu Frau.

„Wir befinden uns in einer Phase der Dekonstruktion des Patriarchats“, stellt Ulrike Guérot, Professorin an der Donau-Universität Krems, in ihrem Impulsvortrag fest. Die bevorzugte Stellung von Männern in der Gesellschaft sei in Auflösung. Die erste Phase dieser Dekonstruktion habe vor 100 Jahren stattgefunden, als Frauen das Wahlrecht forderten. „Diese Frauen wurden damals von den Männern als ‚hysterisch‘ bezeichnet. Wenn wir das 21. Jahrhundert als das Zeitalter der Frauen sehen, dann müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, welche Gegenbewegung das mit sich bringt“, sagt Guérot.

„Männer teilen ihr Herrschaftswissen nicht gern mit Frauen“, ist auch die Erfahrung von Heidi Glück, Strategie- und Kommunikationsberaterin. Als langjährige Pressesprecherin und Beraterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel kennt sie die Netzwerke der Macht nur zu gut. „Frauen haben nüchtern betrachtet Aufholbedarf was das Netzwerken betrifft. Wir müssen sie selbst organisieren und deshalb sind Frauennetzwerke nach wie vor wichtig.“

STRATEGISCH ZUM ZIEL
Beinharte Machtpolitik und Berechnung sei üblich, wenn Männer netzwerken, sagt Glück. Ihre Vorgangsweise ist daher ebenfalls strategisch und fokussiert. „Geht man zu einer Veranstaltung, sollte man sich gezielt überlegen, wer ist wichtig, mit welchen zwei bis drei Personen möchte ich heute reden.“ Glück ist auch als Mentorin in den Programmen der Landesregierung Niederösterreich aktiv und berät ihre Mentees, wie sie strukturiert ihre Ziele erreichen können.

Als aktive Politikerin ist Christiane Teschl-Hofmeister schon von Berufs wegen eine Netzwerkerin. „Frauennetzwerke hat es immer gegeben, Männer haben es nur früher benannt“, ist Teschl-Hofmeister überzeugt. Sie plädiert für einen entspannten Umgang mit dem Thema, ihr Rat: „Man muss auch aus Netzwerken ausbrechen können, um wieder frische Ideen zu bekommen.“

FRAUEN ALS MENTORINNEN UND MÄNNER ALS MÄZENE
Neue Impulse, ehrliche Ratschläge und kompetente Unterstützung, das sind positive Erfahrungen, von denen die Teilnehmerinnen der Mentoring-Programmen berichten. Laura Strobl ist als Managerin eines großen Handelsunternehmens in einer absoluten Männerndomäne tätig. „Meine Mentorin ist Christiane Teschl-Hofmeister. Sie hat mir Mut gemacht, selbstbewusst aufzutreten und authentisch zu bleiben. Um Beruf und Familie zu vereinbaren gab sie mir den Tipp: Organisiere dich gut und such‘ dir einen guten Partner, dann schaffst du das.“ Womit wir wieder bei den Männern wären. Denn auch im Beruf kommt es darauf an, auf welchen Männertyp man trifft. „Ich habe beruflich viele Männer als Mäzene erlebt“, spricht Universitätsprofessorin Guérot von ihren persönlichen Erfahrungen auf dem glatten Parkett der Europapolitik. Diese hätten immer erkannt, dass die Arbeit einer guten Mitarbeiterin auch auf sie abfärbe. Aber auch die Wissenschaftlerin stieß an Grenzen: „Wenn man als Frau zur Konkurrentin wird, gibt es den Mäzen-Mann nicht mehr.“

KARRIERE NEU DENKEN
„Es gibt die Tendenz, Karriere nach den männlichen Kriterien zu definieren. Sicherheit, Geld, Anerkennung – das ist das Balancedreieck, in dem heute Karriere definiert wird. Wenn wir über Netzwerke sprechen, sollten wir andenken, ob das wirklich sinnvoll ist,“ so Guérot. Denn Erfolg sei nicht, die Karriere der Männer nachzumodellieren. Die potente Frau ist keine Frau, die gefallen will, zitiert Guérot die Autorin Svenja Flaßpöhler. „Nicht gefallen zu wollen, das ist der schwierige emanzipatorische Schritt.“

Stellen wir uns vor, wir hätten diesen Schritt schon hinter uns. Dann wäre das ständige positionieren, profilieren und präsentieren nicht mehr nötig. Stattdessen könnten wir uns beim Vernetzen auf Anderes konzentrieren: Auf das gute Gefühl zu geben ohne Erwartungen daran zu knüpfen. Oder auf die inspirierende Erfahrung, neue Menschen mit neuen Ansichten in sein Leben zu lassen. Ein schöner Gedanke.

Informationen und Ansprechpersonen zu den Frauenförderprogrammen „Regionales Mentoring“ und „Politik Mentoring“ der Landesregierung Niederösterreich finden Sie > hier.

Buchtipp:
„Die potente Frau: Für eine neue Weiblichkeit“ von Svenja Flaßpöhler, Ullstein Verlag


Am 21. August 2019 trafen sich Teilnehmerinnen der Programme „Politik Mentoring“ und „Regionales Mentoring“ der Niederösterreichischen Landesregierung zum Netzwerktreffen in der Wachau.


Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (2. von rechts) als Gastgeberin mit (von links) Universitätsprofessorin Ulrike Guérot, Mentorin Heidi Glück und den Mentees Jasmin Ahmad und Laura Strobl.

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 27.08.2019
  • Drucken