Die Welt scheint anfangs in Ordnung zu sein: Über zwei Gruppen von Kindern, die Ringelblumen- und die Primelgruppe, herrscht die allmächtige Schäfin. Die Ringelblumenkinder werden von den Primeln bedient, die bei Spiel und Spaß nie dabei sein dürfen. Allmählich beginnt man jedoch, diese Herrschaftsstrukturen zu hinterfragen.
Manchmal muss man eine Grenze überschreiten
Hier erzählt ein kluges Kind aus der sogenannten Ringelblumengruppe aus seinem Alltag: Es gibt ein wunderbares Frühstück, danach hat man Tanzen und Trommeln, danach Malen, es gibt für alle ausreichend Pinsel und Farben, richtig tolle Farben. „Die Primeln schälen solange Kartoffeln“ – so klingt das Erkennen von Ungerechtigkeit, ein Erkennen in Wort und Bild. Dann lernen die Kinder von der Schäfin die Namen von Blumen und Pilzen, eine wunderbare Sache, wenn auch nur für die Ringelblumen.
„Die Primeln putzen unsere Stiefel. Die sind ja superdreckig geworden.“
Seite um Seite wird die Autorität der Schäfin mitsamt ihrer Trillerpfeife mehr und mehr hinterfragt, die Ringelblumen- mischt sich mit der Primelgruppe und gemeinsam wird überlegt, diese Linie, diese Grenze, die zu überschreiten ja stets verboten war, zu überqueren. So geht Grenzüberschreitung:
„Kein Blitz und kein Flammenmeer. Ein besonders mutiges Kind streckt vorsichtig den Fuß rüber … und dann geht das ganze Kind über die Linie.“
Schließlich sind am Ende der Geschichte alle Kinder auf der anderen Seite angekommen, sie werden sich eine eigene Wohnung suchen, „in der wir alle Bestimmer sind“. Eine Parabel über falsche Autoritäten, Ungerechtigkeit, Ausbeutung und das Ausspielen von Ringelblumen und Primeln, von … – genau für diese drei Punkte, fürs Weiterdenken, steht die hervorragende Geschichte.
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Bilderbuch nicht lesen/vorlesen:
Reflexion über Machtverhältnisse und Ausgrenzung, über Mehrheitsgesellschaften, Ideen zur Schaffung von Gerechtigkeit, Anlässe, über Ungleichheit/Gleichheit in einer Gesellschaft nachzudenken, Inspiration und Hoffnung und – so der Verlag – „eine packende Parabel über Gerechtigkeit“.
Die Autorin und Illustratorin:
ist mehrfach ausgezeichnete schwedische Autorin und Künstlerin, deren Bekanntheit sich weit über ihre Heimat Schweden erstreckt, wo sie unter anderem mit einer fulminanten Kinderoper ihr Können, nicht nur dadurch, dass sie die Kostüme dafür selbst entwarf, zeigte. Ihre Bilderbücher greifen soziale Themen auf, ohne dabei moralinsauer auf ihre LeserInnen einwirken zu wollen. Sie schreibt und zeichnet und lässt einem Freiräume zum Nach- und vor allem Selberdenken.
Pija Lindenbaum:
Der erste Schritt.
Aus dem Schwedischen von Jana Hemer.
Leipzig: Klett Kinderbuch Verlag 2023.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmäßig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.