Glückliche Menschen, die plötzlich alle Zeit haben, reichen das rote Paket weiter. Da ist auf einmal viel Liebe in den Gesten, die Menschen haben Zeit: Zeit zum Reden, zum Zuhören und zum Schenken.
Das Geschenk, das man nicht öffnen darf
Weihnachtsmärkte, Einkaufssamstage, Wunschlisten und ganz geheime eigene Wünsche: Das sind die Mosaiksteine, aus denen man sich Jahr für Jahr die stillste Zeit im Jahr bastelt. Und ja, man soll einfach nicht eine/einer werden, der/die dazu frei nach Loriot nichts anderes zu sagen hat als: „Früher war mehr Lametta“. Genau in dieser Zeit tun Bilderbücher mit zartem Strich und tiefgründiger Geschichte richtig gut. Man liest die Geschichte vor, erinnert sich an die eigene Großmutter und begreift, wie häufig weniger einfach mehr ist.
Anna besucht ihre Oma. Wir sehen die beiden mitten im Schnee auf ein kleines Haus zustapfen: Hier hat die aus Südtirol stammende, in Wien lebende und vielfach ausgezeichnete Illustratorin Linda Wolfsgruber eine wunderschöne Kulisse für geheimnisvolle Vorgänge geschaffen. Und richtig: Früher war nicht nur mehr Lametta, es war auch mehr Schnee (Repolust frei nach Loriot). Anna und ihre Oma gehen auch gemeinsam ins Dorf, in dem niemand Zeit zum Plaudern oder für ein freundliches Wort hat: Alle haben es eilig. Wenn Oma nachdenkt, kommt meistens ein wunderbarer Plan zustande, diesmal ist es ein rotes Paket und dieses rote Paket ist ein Geheimnis.
„Am Morgen gehen Anna und die Oma mit dem Paket aus dem Haus. Der Förster kommt ihnen entgegen. Er wohnt erst seit Kurzem im Dorf und ist allein. Oma reicht ihm das rote Paket.“
Oma erläutert ihm, dass er das Paket nicht aufmachen dürfe, denn sonst ginge der Inhalt verloren. Und was genau ist jetzt in diesem Paket? „Glück und Zufriedenheit“, erklärt ihm die weise alte Frau. Sie hat mit diesem roten Paket tiefgreifende Veränderungen in Gang gesetzt, denn der Förster gibt es weiter an den Rauchfangkehrer, der schenkt es der kleinen Antonia, die krank daheim sitzt. Dann bekommt es der Bäcker, der braucht wirklich Trost, schließlich ist ihm gerade das gesamte Brot verbrannt. Glückliche Menschen, die plötzlich alle Zeit haben, reichen das rote Paket weiter. Da ist auf einmal viel Liebe in den Gesten, die Menschen haben Zeit: Zeit zum Reden, zum Zuhören und zum Schenken.
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Bilderbuch nicht betrachten:
Stille, Klugheit, Reduktion, Anregungen, Lust auf Ruhe, vielleicht auch Lust auf einen Kakao, ein Gespräch, darauf, die Enkelkinder oder natürlich auch die Großeltern in aller Ruhe anzurufen. Vielleicht schenken Sie sich selbst ein kleines, rotes Paket.
Linda Wolfsgruber:
1961 in Bruneck/Südtirol geboren, besuchte 1975 – 1978 die Kunstschule in St. Ulrich in Gröden. Sie lebt als freischaffende Künstlerin in Wien, erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, so beispielsweise 2022 den Christine-Nöstlinger-Preis für Kinder und Jugendliteratur und mehrmals den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis.
Gino Alberti:
Jahrgang 1962, lebt als freischaffender Künstler, Grafiker und Illustrator in Bruneck/Südtirol und Wien. Seine Bücher sind in 17 Ländern erschienen, er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
Linda Wolfsgruber/Gino Alberti
Das rote Paket. Eine Erzählung über das Schenken.
Bohem Press.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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