Aktuelle
Ausgabe:
Konsum
03/24

Das Frauenwahlrecht, ein Meilenstein

Das Frauenwahlrecht, ein Meilenstein

Visionäre Frauen rund um die Welt haben beharrlich dafür gekämpft: Die Einführung des Frauenwahlrechts 1918 war das Ende eines langen Wegs mit vielen Rückschlägen.

Der 12. November 1918, der Tag der Ausrufung der Republik, war gleichzeitig auch ein Befreiungsschlag für die Frauen in Österreich. Sie erhielten das Wahlrecht und konnten 1919 erstmals gleichberechtigt mit den Männern einen neuen Nationalrat wählen.
Der Kampf um das Frauenwahlrecht hat seinen Ausgangspunkt im Revolutionsjahr 1848. Damals rüttelte das Volk an den Grundfesten der Monarchie – und es wurden auch Stimmen unzufriedener Frauen laut, die gemeinsam mit den Männern demokratische Grundrechte forderten.
Nach dieser Märzrevolution bildeten sich die Strukturen für einen bürgerlichen Staat, eine Verfassung und ein Parlament. Die Männer konnten für sich ein teilweises Wahlrecht erzwingen, Frauen mussten weiter warten. Ab 1849 wurde beim Wahlrecht nicht nach dem Geschlecht, sondern nach Steuerleistung unterschieden. Vorübergehend konnten wenige „steuerpflichtige Frauen“ ihr Wahlrecht durch männliche Bevollmächtigte ausüben. Als 1891 die Steuergrenzen für dieses Wahlrecht gesenkt wurden und immer mehr Männer wählen konnten, wurden Frauen „per Geschlecht“ wieder ausgeschlossen.

„FRAUENSPERSONEN“ AUSGESCHLOSSEN
Von politischer Aktivität hielt das Frauen aber nicht ab, sie schlossen sich in Frauenvereinen zusammen: 1848 gründeten sie etwa den „Wiener Demokratischen Frauenverein“, der den Beginn der Frauenbewegung in Österreich markiert. Frauenvereine entstanden zahlreich – trotz starken Gegenwinds: Im Vereinsgesetz von 1867 wurde der Ausschluss von Frauen gesetzlich festgeschrieben: „Ausländer, Frauenspersonen und Minderjährige“ durften an politischen Vereinen nicht teilhaben. Dieser Paragraf sollte bis 1918 bestehen bleiben.
Die Frauenvereine verlagerten sich daraufhin auf andere Forderungen: Das Frauenwahlrecht wurde vorübergehend hintangestellt, um vorerst Bildungsinteressen durchzusetzen. Der „Allgemeine Österreichische Frauenverein“, gegründet 1893, war der erste österreichische Frauenverein, der dezidiert politische Ziele verfolgte.
Im Dezember 1906 erfolgte eine Wahlrechtsreform in Österreich: Männer, deren Wahlrecht bisher noch an das Steueraufkommen gekoppelt war, erhielten das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht, das 1907 in Kraft trat. Die Frauen, die für das allgemeine Wahlrecht mitgekämpft hatten, gingen leer aus.

EINE INTERNATIONALE BEWEGUNG
Die Forderung nach dem Frauenstimmrecht war mittlerweile auch zu einem internationalen Thema geworden: 1904 fand in Berlin die zweite Internationale Frauenstimmrechtskonferenz statt, auf der  die „International Woman Suffrage Alliance“ gegründet wurde. Am 19. März 1911 fand zum ersten Mal ein „Frauenkampftag“ in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den USA statt. Das Frauenwahlrecht war die zentrale Forderung der ersten Frauentage. Seit 1921 wird der Internationale Frauentag am 8. März begangen.
Der Erste Weltkrieg veränderte die Situation erheblich: Auch wenn Frauen nach wie vor nicht am offiziellen politischen  Geschehen teilnehmen durften, waren sie in den Kriegsjahren im Alltag so präsent wie noch nie. Während die Männer an der Front kämpften, hielten Frauen das  wirtschaftliche und administrative Leben aufrecht.
Diese öffentliche Präsenz hatte Folgen: Obwohl in der Kriegszeit keine politische Partei das Frauenstimmrecht explizit gefordert hatte, stimmte 1918 die Mehrheit der Parteienvertreter für die Einführung des Frauenwahlrechts.
Am 12. November 1918 wurde schließlich das „allgemeine, gleiche, direkte und geheime Verhältniswahlrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechtes“ gesetzlich verankert. Das aktive Wahlrecht galt ab dem 20. Lebensjahr, das passive Wahlrecht ab dem 29. Lebensjahr. Zwischen 1920 und 1930 wurden bei den Wahlen verschiedenfarbige Kuverts für Männer und Frauen verwendet – zur Beobachtung des Wahlverhaltens von Frauen. Österreich gehörte nach den nordischen Staaten zu den ersten Ländern in Europa, die das Frauenwahlrecht einführten.

Starke Frauen: österreichische Aktivistinnen der ersten Stunde

Marianne Hainisch (1839–1936) gilt als eine der Pionierinnnen der öster­reichischen Frauenbewegung. Sie gründete 1902 den „Bund Österreichischer Frauenvereine“, 1929 initiierte sie eine Frauen­partei. 1924 führte sie den Muttertag nach amerikanischem Vorbild ein. Sie ist die Mutter des späteren Bundespräsidenten Michael Hainisch.

Rosa Mayreder (1858–1938) gilt als wichtigste feministische Theoretikerin der ersten Frauenbewegung. Gemeinsam mit Marie Lang und Auguste Fickert gab sie die Zeitschrift „Die Dokumente der Frau“ heraus und gründete den „Allgemeinen Österreichischen Frauenverein“.

Marie Schwarz (1852–1920) war Pädagogin und Politikerin. Sie setzte sich für die Gründung des ersten Mädchengymnasiums und für den Hochschulzugang für Mädchen ein. Ab 1888 trat sie gemeinsam mit Auguste Fickert – und später als Mitglied des Frauenstimmrechtskomitees – für das Frauenwahlrecht ein.

Auguste Fickert (1855–1910) gilt als Repräsentantin des radikaleren Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung. Mit Marie Lang und Rosa Mayreder gründete sie 1893 den „Allgemeinen Österreichischen Frauenverein“, der sich als erster dezidiert politischen Zielen widmete. 1895 richtete Fickert die erste Rechtsschutzstelle für Frauen in Österreich ein.

Fotos: Wikipedia, Unless Vienna/Hainisch, ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com (2), Carl Pietzner/bildarchiv.at

Erschienen in „Welt der Frauen“ 11/18

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 02.11.2018
  • Drucken