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04-05/24

Buchempfehlung: „Niemand so wie ich?“

Buchempfehlung: „Niemand so wie ich?“

Ein Jugendbuch, das über die Brüchigkeit junger Menschen sowie die Verletztheit vieler Erwachsener sinniert.

Eine zweite Chance für alle!

Niki öffnet dem Fremden, der abgemagert und hungrig mit einem großen Koffer vor der Tür steht. Es ist Onkel Raimund, aber das erfährt Niki erst später, viel später, denn die eigenen Eltern wollen nichts erzählen. Auch die Großmutter nicht, die alle Fotos ihres zweiten Sohnes versteckt, sobald Niki mit der Familie auftaucht. Versöhnung sollte es doch geben, denkt der Teenager, der selbst damit beschäftigt ist, mit sich und dem eigenen Körper, dem eigenen Geschlecht zurechtzukommen.

„Ich schob diesen Gedanken beiseite. Papa liebte mich, das wusste ich, das spürte ich, trotzdem war ich auch ein Problem für ihn. Das ließ sich nicht leugnen. Er wollte einen richtigen Sohn haben, und ich war einstweilen nur eine Mogelpackung.“
Seite 97

Der Weg zur Versöhnung führt schließlich übers Fußballfeld, viele Akte des Näherkommens laufen über Niki. Dass Oma großen Wert auf das Aussehen ihrer Liebsten legt, bringt noch einmal Schwung in die Versöhnung – ja, Raimund wird aufgenommen, zehn Jahre des Ausschlusses sind genug! Dass auch die Medien an Niki, ihrer Person und ihrem Fußballtalent interessiert sind, zeigt die Feinsinnigkeit dieses Romans: Außen und innen stehen einander gegenüber. Wer will schon vom bloßen Draufsehen erkennen, wer Niki ist, wie Onkel Raimund mit seiner Schuld lebt, wie Menschen an Kummer zugrunde gehen? Nicht alles, was Menschen widerfährt, taugt für eine Schlagzeile, eine Sensationsmeldung.

HeldInnen sucht man hier vergebens, wenn man unter „HeldInnen“ die Lauten meint, die immer zu siegen scheinen. Aber da ist Niki – differenziert, sensibel, durchaus stur und keiner Konfrontation aus dem Weg gehend. Denn HeldInnen sieht man zwischen den Zeilen, es sind die Menschen, die zu einem halten, auch dann, wenn das Leben gerade richtig schwierig und zäh ist!

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Jugendroman nicht lesen:

Träume, Ich-Stärke, Selbstfindung, Migration, Ausgrenzung, Verzeihen, Familienkonflikte, Fremd- und Vertrautsein im eigenen Körper, Freundschaft.

Rachel van Kooij:

1968 in den Niederlanden geboren, übersiedelte mit zehn Jahren nach Österreich. Sie studierte Pädagogik und Heil- und Sonderschulpädagogik an der Universität Wien, lebt in Klosterneuburg und hat zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur sowie den Kinderbuchpreis der Stadt Wien, erhalten.

Rachel van Kooij:
Niemand so wie ich?
Wien: Jungbrunnen 2024.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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  • Veröffentlicht: 24.04.2024
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