Ein Kind zieht eine Leine mit einer Banane quer über die erste Doppelseite dieses Bilderbuchs. Es sieht friedlich und glücklich aus, die Banane ebenso. Doch wie heißt es doch? Man kann nicht in Frieden leben, wenn es den Erwachsenen nicht gefällt.
Spaziergang mit Banane
Gut, ich habe das Zitat etwas verändert! Gebe ich ja zu! Und schon ist da einer, der fragen muss: „Was machst du da?“ „Ich gehe mit meinem Hund Gassi“, so der Bananenhalter. Ein zweiter Mensch taucht auf, man will das Kind aufklären, dass am Ende seiner Leine doch eine Banane sei, kein Hund. Wieder kommt so ein Schlaumeier dazu und stellt – ach Gott, lasst es einfach – fest: „Er bewegt sich gar nicht!“
Je mehr Menschen das Kind und seinen Hund/seine Banane bedrängen, desto enger zieht es ihn/sie an sich heran und verteidigt die Identität heftig: Dieser gelbe, bananenähnliche Hund belle deshalb nicht, weil er eine der besten Hundeschulen besucht habe und überdies sehr gehorsam sei. Und ich verrate es Ihnen, nur Ihnen: Am Ende des Bilderbuchs haben sich Kind und Hund aus dem Staub gemacht, sie hinterlassen blöd dreinschauende Klugscheißer, Schlaumeier und die gibt es quer durch alle Gesellschaftsschichten, wie die Zeichnungen dokumentieren.
Der Fantasie Grenzen zu setzen, ist ein sinnloses Unterfangen. Denn klug zu sein, würde bedeuten, dem Spiel und Spaß eines Kindes Raum und Zeit zu geben und selbst zusehend zu lernen, sich zu freuen. Ein geniales Buch, das alle, die es immer schon besser wussten, auf die hinteren Ränge des Alltagslebens verweist.
Eine wichtige Anmerkung: Der Tyrolia Verlag und auch der Tulipan Verlag geben Informationen über die BuchautorInnen und IllustratorInnen in Bilderbücher. Damit stellen sie Literatur für Kinder auf eine Stufe mit der für Erwachsene. Wie würden Erwachsene denn schauen, würden sie nichts, rein gar nichts über die AutorInnen und IllustratorInnen erfahren? Das ist ein wichtiges Indiz dafür, dass Kinderliteratur im Verlag ernst genommen wird. Darauf eine Banane!
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses geniale Bilderbuch ignorieren:
Fantasie, Witz, Widerstand, wenige Worte mit großer Wirkung, Frage-Antwort-Spiele, die Kraft der Überzeugung.
Roxane Brouillard:
wollte seit ihrer Jugend Schriftstellerin werden, wurde unter anderem Bibliothekarin und freut sich als Autorin über den 2019 erhaltenen Literaturpreis für ihr erstes Buch „Mon chien banane“.
Giulia Sagramola:
ist Comicautorin und Illustratorin, die laut Information des Verlags „alles liebt, was mit Hunden, Comics und der japanischen Popkultur zu tun hat“.
Roxane Brouillard, Giulia Sagramola:
Mein Hund Banane.
München: Tulipan Verlag 2023.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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