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11/12/24

Buchempfehlung: „Arsen“

Buchempfehlung: „Arsen“

Stilsicher wird hier analysiert, seziert und kategorisiert. Ein Hinweis vorweg: Arsen ist ein Halbmetall, das für seine Giftigkeit bekannt ist. Denken Sie an „Arsen und Spitzenhäubchen“ – hier aber ganz ohne Häubchen, dafür mit viel Landschaft, Heimat und Tracht.

Land der Berge und all seiner achtsamen wie unverschämten Vermarkter

Zuerst ein Zitat, denn dann ist alles klar – Sprache, Stil, Haltung und das, was auf die LeserInnen zukommt:

„Die Leute am Land sind schon hunderte Jahre auf die Befriedigung von Urlauberbedürfnissen konditioniert ... Immer soll der Urlauber sich als organischer Teil des authentischen Landlebens fühlen.“
Seite 11

Die Autorin zeichnet ihre Charaktere genau und gnadenlos. Loth aus der Millionenstadt mag man gleich von Anfang an nicht – na ja, vielleicht stoße auch nur ich mich an seiner zwanghaften Reflektiererei und seinem dialektisch daherkommenden Schnöseltum.

„Er will wie ein Handwerker oder besser wie ein Arbeiter oder doch besser wie ein Hilfsarbeiter behandelt werden und nicht wie der Diplomaten- und Industriellensohn, der er ist.“
Seite 9

Er erklärt uns, warum er nicht auf Thujen steht, sondern eher der Typ Urwald-Naturgarten mit schönen Wildblumen ist. Ach, wie gut kann Loth doch faseln! Auch Nora und ihre Mutter versuchen ihr Bestes, eingerahmt von Thujen individuell zu existieren. Und bereits auf Seite 44 hat Nora ausreichend „hingespürt“, um mit Anastasia einen Ausflug in die Berge zu machen.

„Und was der Berg nicht schafft, erledigt die Dorfgemeinschaft mit Leichtigkeit. Eine Klarheit und Eindeutigkeit, die es in unserem modernen Leben gar nicht mehr gibt. Wer sich deppert aufführt, über den wird so lange geredet, bis er sich selbst nicht mehr erkennt und sich freiwillig wieder einfügt in die Regelmäßigkeit.“
Seite 264

Die Charaktere werden hier mit hoher Präzision entwickelt, ihre Umgebung wird genau beschrieben: jedes Blatt und jede Abweichung von der Norm. Die, die nach Arndorf kommen, haben ihre Sehnsüchte im Gepäck und wissen, dass sie hier das perfekte Ambiente für ihre Achtsamkeit, Selbstoptimierung und Weiterentwicklung finden, Arsenprodukte inklusive. Denn Zirbe war gestern!

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen enttarnenden Anti-Heimat-Roman nicht lesen:

Satire, dass Ihnen die Augen aufgehen, Piefke-Saga, nur anders – heftiger, brutaler, mehr Esoterik, weniger Piefke –, Skizze des Ausverkaufs des Heimatgefühls, Vermarktung des Arsens in Form von Arsenseifen und Heilsteinen, überaus achtsame Verspottung besonders achtsamer Zeitgenossen, die auf Tracht stehen, die Idylle genießen und sich an den Pseudobauern, die im Steilhang mähen, erfreuen.

Maria Hofer:

1987 in der Steiermark geboren, studierte Germanistik/Kunstgeschichte in Wien. „Jauche“ war ihr Debütroman, für „Arsen“ wurde sie bereits mit einem Literaturpreis ausgezeichnet.

Maria Hofer:
Arsen.
Graz/Wien/Berlin: Leykam 2023.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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  • Veröffentlicht: 16.05.2024
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