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Bewegung
04-05/24

Zauberwort

Zauberwort

„Mbuki-mvuki“ beschreibt auf Bantu das spontane Verlangen, sich die Kleider vom Leib zu reißen und zu tanzen. „Keyif“ ist ein türkisches Wort für das Grundgefühl der Ausgelassenheit, das über den Moment hinausgeht, weil es scheint, als könne einen nichts aus der Ruhe bringen. Es gibt Situationen, da fehlt mir genau so ein prägnanter Ausdruck.

Meine Freunde strahlen, als hätten sie den Hauptgewinn gezogen. Haben sie ja auch. Sie fahren in den Urlaub. Mein Herz stolpert fast bei der Vorstellung: einfach aussteigen. Tschüß, Alltag, wir sehen uns in zwei Wochen wieder. Besonders jetzt, in der fünften Jahreszeit, der Coronazeit. „Ich beneide euch!“, rutscht es mir raus – und ich beiße mir auf die Zunge. So ein Quatsch! Ich neide ihnen den Urlaub ja gar nicht. „Tust du doch“, will mir der Neid einreden, „gib’s zu. Du findest, du hättest ihn mindestens genauso verdient. Soviel, wie du gearbeitet hast.“ Ich weise das empört zurück, aber der Neid ist Widerstand gewöhnt. Er weiß, dass er kein gerngesehener Gast ist. Aber er weiß auch, wieviel Macht er hat. Hat er sich erstmal eingenistet, ist es schwierig, ihn wieder zu vertreiben. Also bleibt er hartnäckig und tut so, als wolle er nur mein Bestes. „Schau“, flötet er mit einem falschen Lächeln, „du sollst auch mal zu den Gewinnern gehören! Einer muss doch für dich eintreten. Ich übernehme das.“
„Nein danke“, sage ich. Ich komme zurecht. Denn Neid ist mir zutiefst unsympathisch. In Wörterbüchern steht er Schulter an Schulter mit der Missgunst. Nicht gönnen können. Unangenehm.

alles klar!Was ich brauche, ist also ein anderes Wort. Eines, das freundlicher ist. Das sich mitfreut. Mit dem ich ausdrücke: „Ich freue mich, weil ihr euch freut, und weiß genau, wie sich das anfühlt, weil ich das, was ihr haben werdet, genauso wunderbar finde, wie ihr.“ Und das jetzt in kurz. Sowas wie: „Ich bemitfreue euch!“ Schönere Vorschläge nehme ich gern entgegen.

Susanne Niemeyer

lässt sich gerne inspirieren von Pippi Langstrumpf und der polnischen Dichterin Wisława Szymborska. Vor dem Einschlafen denkt sie an etwas Schönes, denn irgendwas – da ist sie sicher – gibt es immer.

www.freudenwort.de

Foto: privat

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  • Veröffentlicht: 30.05.2020
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