Hillary Clinton sei einfach zu kalt, zu wenig weiblich, deswegen hätten auch viele Frauen sie nicht gewählt, meinte eine Kollegin. Frauen hätten Trump gewählt, weil sie seine Angriffe auf das Establishment, dem auch Hillary Clinton angehört, mehr geschätzt hätten, als Solidarität mit Frauen als wichtig zu erachten, meinte eine andere. Und Frauen verließen sich doch lieber auf einen starken Mann, das würden sie kennen, fügte ein Dritter hinzu. „Wenn alle Frauen eine Frau wählen, hätten wir Männer überhaupt keine Chance.“ Den Satz bekommt man oft eher spöttisch zu hören. Der Unterton: So sind sie, die Frauen, schimpfen auf die Männer, aber am Ende siegt der Mann im Zickenkrieg ja doch.
Wären Frauen eine homogene Gruppe und ihre Entscheidungen bei Wahlen vom Abwägen des größtmöglichen Nutzens für die Frauenfrage getragen, könnten sie mit ihren 52 Prozent Wähleranteil tatsächlich alles durchbringen. Was aber in der theoretischen Vereinfachung nicht funktioniert, tut es erst recht nicht in der praktischen Realität. Geschlecht ist eben nur ein Faktor, der uns als Menschen ausmacht. Soziale Prägungen wie Herkunft oder Bildung, kulturelle Überzeugungen wie die mangelnde Attraktivität mächtiger Frauen oder ideologische Hintergründe, wie sie Parteien formulieren, sind mindestens so stark für das Selbstbewusstsein.
Dennoch bleibt die Frage, warum Frauen einen Kandidaten wählen, der ganz offenkundig sexistisch ist, der Frauen wiederholt zu sexuellen Objekten degradiert hat und der sich eines Machogehabes bedient, das an der Grenze zur Lächerlichkeit ist. Mögen Frauen aller Emanzipation zum Trotz solche Typen? Sind es die reichen, alten Männer, die junge, attraktive Frauen an ihre Seite haben, die einen alten Prinzessinnentraum reaktivieren? Tatsächlich hat man gelegentlich den Eindruck, dass manchen Frauen die Anerkennung durch einen Mann im Raum wichtiger ist als die von fünfzig anwesenden Frauen. Da kann man leicht einmal punkten, wenn man betont, „eh keine Emanze“ zu sein. Vermutlich haben manche Frauen auch noch ein gar nicht so genau geklärtes Gefühl, dass mächtige Frauen „unweiblich“ und daher auch unsympathisch sind. Man hat es ihnen auch lange genug eingeredet. Die Geschichte der Emanzipation ist im Grunde eine Geschichte, Vorurteile, die Frauen am Weiterkommen hindern sollten, möglichst breit zu streuen. Häufig haben sie sich unbewusst gehalten. Wenn Marcel Hirscher im Slalom gewinnt, gilt er als „unantastbar“ in seinem Können, wenn Lindsey Vonn ein grandioses Comeback feiert, heißt es, sie sei „besessen vom Erfolg“.
Aber, und das ist vermutlich das Entscheidende, Trump hat die Wahl zwar gewonnen, aber Hillary Clinton hatte mehr Stimmen. Sie wurde auch von mehr Frauen gewählt als Trump, und sie wurde vor allem von den jüngeren, besser gebildeten Frauen gewählt. Das teilt der amerikanische Präsident mit dem neu gewählten österreichischen. Auch er verdankt seinen Erfolg unter anderem dieser Wählerinnengruppe. Was heißt das? Die Generation Frauen, die schon mit der Selbstverständlichkeit von Gleichstellung aufgewachsen ist, die auf eigenen Beinen steht, die ihr Leben unabhängig plant, weiß, was auf dem Spiel steht, wenn Männer an die Macht kommen, die alten Rollenbildern nachhängen. Sie haben ein Sensorium für die direkten und indirekten Angriffe auf ihre Souveränität. Das ist ein gutes Zeichen.
Der Marsch der Frauen, der am Tag nach Trumps Amtseinführung in Amerika Millionen Frauen und Männer auf die Straße gebracht hat, war von den „alten“ Frauen der amerikanischen Frauenbewegung getragen. „Veteraninnen“ wie Gloria Steinem oder Angela Davis gingen den Protestierenden voran. Das ist ein wichtiges Signal, damit junge Frauen wissen, dass ihre Gleichstellung eine Geschichte hat und dass Frauen es waren, die sie erkämpft haben.
Wir sollten nicht vergessen, dass die rechtliche Gleichstellung von Frauen in unseren Breiten erst gut 40 Jahre besteht. In so kurzer Zeit sind alte Muster nicht überwunden, aber sie werden brüchiger. Und mittlerweile wächst die zweite Generation Frauen heran, die fundamentale Abhängigkeit nur mehr aus Erzählungen kennt. Vielleicht braucht es Frauen, die mit dieser Selbstverständlichkeit aufgewachsen sind, auch als Kandidatinnen für höchste Ämter. Sie würden Männer wie Trump zweifellos richtig alt aussehen lassen.
Das Retro-Kabinett
- 54 Prozent der Amerikanerinnen haben im November 2016 Hillary Clinton gewählt, was einen deutlichen Überhang von Frauenstimmen für sie bedeutet.
- Am Ende ist Hillary Clinton auch nicht an den abgegebenen Stimmen, sondern am Wahlmännersystem gescheitert.
- Das 31-köpfige Team aus BeraterInnen und Kabinett des neuen amerikanischen Präsidenten besteht übrigens überwiegend aus weißen, älteren, reichen Männern. Vier Frauen haben Aufgaben als Ministerinnen für Verkehr und Bildung, als UNO-Botschafterin und Mittelstandsbeauftragte übernommen.
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Erschienen in „Welt der Frau“ 03/17 – von Christine Haiden
Illustration: www.margit-krammer.at