Frauen in die Technik! Ein Ausruf, der das Sichtbarmachen des Potentials von Schülerinnen in den Bereichen Mathematik, Information, Naturwissenschaft und Technik (kurz: MINT) fordert. Dass es für diesen Schritt eine Stärkung des Selbstvertrauens und bessere Aufklärung über diese Fachrichtung braucht, zeigt die aktuelle Studie „Wie MINT gewinnt“.
Die im Mai 2023 von der Fachhochschule Oberösterreich in Kooperation mit der MINTality Stiftung durchgeführte Studie untersucht die Ansichten und Hürden von über 1.500 österreichischen Schülerinnen betreffend MINT-Ausbildungen und -Berufen. Martina Gaisch, Hochschulforscherin, Professorin an der Fachhochschule Oberösterreich und Autorin der Studie, will mit dieser Arbeit mehr Bewusstsein schaffen: „Meistens gehen Mädchen in ganz traditionelle und konventionelle Berufe – wohl auch, weil sie keine anderen kennen oder zu wenig Bescheid wissen. Dabei sind MINT-Berufe so unglaublich kreativ und vielseitig.“
MINT: Berufsfeld mit wachsender Bedeutung
Egal, ob digitale Transformation oder Klimawandel: Im Angesicht globaler Herausforderungen spielen MINT-Berufe eine immer größere Rolle. Benötigt wird: mehr Personal, mehr Diversität. In den dazugehörigen männerdominierten Studiengängen findet sich allerdings nur ein Frauenanteil von knapp 20 Prozent. Gaisch kennt diese niedrige Quote aus der Praxis: „Ich arbeite in Hagenberg an der Fakultät für Informatik und sehe, wie wenig Diversität in der IT vorhanden ist.“ Sie habe die Ergebnisse einer vorangegangenen MINT-Studie aus dem Jahr 2018 deshalb bereits in einem eigenen Studiengang umgesetzt: Das Studium „Design of Digital Products“ wurde primär von Frauen entwickelt, so Gaisch. „Um die weiblichen Perspektiven bestmöglich einzubringen, aber auch, um sichtbar zu machen, dass Informatik nicht nur männlich sein muss.“
Stärken stärken – genau wie das Interesse und die Selbstsicherheit
Während 50 Prozent der Maturantinnen nicht an einer MINT-Zukunft interessiert sind, könnten es sich 32 Prozent sehr gut oder gut und 19 Prozent teilweise vorstellen, eine Ausbildung oder einen Beruf in diesem Bereich anzustreben.
Die Studienergebnisse zeigen, dass vor allem die Gruppe der unentschlossenen Schülerinnen großes Potential hat, in ihrem Interesse für MINT-Ausbildungen aktiviert zu werden. Was es dazu braucht: Zuspruch vom Umfeld und ein Schaffen von praktischen Berührungspunkten. „Schön wäre es, wenn Eltern und Lehrkräfte verstehen würden, was es für einen Unterschied macht, wenn man junge Frauen ermutigt und bestärkt, auch mal unkonventionelle Wege einzuschlagen“, so Gaisch. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht auf die bereits Interessierten zu vergessen und sie weiterhin in ihrem Vorhaben, eine Ausbildung im MINT-Bereich zu absolvieren, zu bestärken.
Ein weiterer, wichtiger Schritt: stereotype Abwertungen aufgrund des Geschlechts und ein Aufklaffen des Confidence-Gaps – der geschlechterspezifischen Unterschiede in der Selbstsicherheit – zu verhindern. „Es gilt, diesen Confidence-Gap zu überwinden und zu erkennen, dass manche Dinge für alle schwierig sind, unabhängig vom Geschlecht.“
Rund 40 Prozent der befragten Schülerinnen geben an, Aussagen wie „Technikerinnen sind unweiblich“ bereits sehr oft gehört zu haben. Den Satz „Als Frau verstehst/schaffst du das nicht“ hat sogar rund die Hälfte der Befragten sehr häufig vernommen. Gaischs Erfahrungen sind allerdings konträr zu diesen von der Gesellschaft kommunizierten Rollenbildern: „Meine Erfahrung als Hochschulprofessorin zeigt, dass junge Frauen oft außergewöhnlich begabt sind, aber das oft gar nicht wissen.“
Was es braucht, um MINT-Ausbildungen attraktiver zu machen
Praxis erleben, und zwar so früh wie möglich: Familiäre MutmacherInnen gelten als Speerspitze für ein frühes Interesse an MINT-Fächern. Diese können durch die Ermutigung zur Teilnahme an Labors oder Exkursionen den Grundstein für eine zukünftige Laufbahn in diesem Bereich legen. Weiters hilfreich: technikaffine Bücher und Spielzeuge. Ein wichtiger Faktor ist es, den Spaß an der Technik zu schüren und Mädchen von ihrem eigenen Können zu überzeugen. Dabei gilt es, die Vorurteile und die Reproduktion von Geschlechterdifferenzen in der Familie, im sozialen Umfeld und bei der Berufs- und Ausbildungsberatung zu minimieren. Digital gibt es beispielsweise durch InfluencerInnen, die sinnstiftende Informationen zu MINT-Themen verbreiten, und zielgruppenspezifische Informationsvideos weitere Berührungspunkte. Auch zukünftige ArbeitgeberInnen können durch ein wertschätzendes Arbeitsumfeld mit integrativer Kultur Interesse für MINT-Berufe wecken.
Ein grundsätzliches „Entstauben“ der Reputation von MINT-Berufen ist ebenso notwendig: Um Ausbildungen in diesem Bereich von einer „Das ist nur etwas für Nerds“-Einstellung zu befreien, braucht es eine sichtbare Vernetzung mit Themen wie Nachhaltigkeit, Kreativität, Ethik und Kommunikation. „Manchmal weiß man auch nicht, was für unglaublich spannende Themen sich hinter einer verschlossenen Türe befinden“, so Gaisch. „Ich möchte Mädchen dabei helfen, Türen aufzustoßen und Neues zu entdecken und dabei zu erkennen, welche Potentiale, Interessen und Begabungen in einem stecken“.