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03/24

Wer kontrolliert die Frauen?

Wer kontrolliert die Frauen?
Der vergangene Sommer hatte uns eine Burka-Debatte beschert, und allerorten wurde am Stuhl von Angela Merkel gesägt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun? Möglicherweise doch.

Die netteste Facette in der hitzigen Debatte, ob Frauen das Tragen einer Burka in Österreich verboten werden solle, kam über die Zeitung „New York Times“. Dort zeigte man ein Foto von Frauen am Strand in bunten Ganzkörperanzügen mit Stoffmasken auf dem Kopf. Falsch getippt, das waren keine Musliminnen, es waren „stinknormale“ Chinesinnen. Sie tragen den „Facekini“ nicht, weil ein Prophet oder ein Patriarch es so will, sondern weil sie ihre Blässe nicht verlieren möchten. Die Szene von einem französischen Strand, wo Polizisten eine Frau nötigten, ihren Burkini auszuziehen, wurde indes zum Skandal. Zu Recht. Woher nimmt der Staat das Recht, Frauen vorzuschreiben, was sie tragen, noch dazu, wenn das Gesicht der Frau voll kenntlich war? Das Argument, man müsse Frauen vor Unterdrückung schützen, klingt ja gut, aber ist es auch plausibel? Man kann mit Kleidung jede Art von Weltanschauung demonstrieren. Die legendären Latzhosen der Feministinnen sind noch in bester Erinnerung. Man darf in unserer Gesellschaft busentransparent durch die Gegend laufen und zeigt damit, dass man nicht prüde, völlig unabhängig von den Blicken anderer oder genau das Gegenteil ist. Man kann sich piercen und tätowieren, die Haare in allen Farben und Formen tragen, aber man darf nicht den ganzen Körper verhüllen. Wo hat die persönliche Freiheit ein Ende? „Im Ganzkörperschleier“, sagen viele. Der gehöre nicht zu unserer Kultur, im Gegenteil, er sei sozusagen das Einfallstor des radikalen Islam. Richtig ist, dass die Totalverhüllungen von Frauen ein Merkmal autoritärer, religiös-reaktionärer Kulturen sind. Aber in unserem Fall reden wir von Österreich. Hier tragen in der Regel nur Touristinnen den Niqab und praktisch niemand die Burka. Wenn man sie also verbieten will, aber niemand damit treffen kann, was will man wirklich? Einen Staat nach islamischem Recht verhindern? Okay, da bin ich dabei. Frauen in ihren Rechten schützen? Einverstanden. Betroffenen Frauen die Kleider vom Leib reißen? Ganz sicher nicht. Für mich endet die persönliche Bekleidungsfreiheit, wo das Gesicht des Menschen verschwindet, bei Burka und Niqab ist das in der Regel so. Warum man aber sozusagen vorausschauend verbieten will, leuchtet mir nicht ein. Und warum man auch den Ganzkörperbikini mit Verboten belegen will, schon gar nicht.
Interessant ist nun, dass die Burka- und Burkini-Debatte in Österreich besonders engagiert von Männern geführt wurde. Und das macht mich stutzig. Als der Minirock in Mode kam, wurde in „Welt der Frau“ erörtert, welche Rocklänge einer katholischen Frau angemessen sei. Das letzte Wort hatte damals ein Priester. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Aber in der neuen Bekleidungsdebatte scheinen manche auch die Deutungshoheit über die Frauen wiedergewinnen zu wollen. „Eure Frauen tragen Burkini, unsere Bikini!“ Der Chef der oberösterreichischen Freiheitlichen postete sogar entsprechendes Bildmaterial mit der Frage: „Wen wollt ihr im Freibad sehen?“ Und als Herrenwitz kreist: Aus ästhetischen Gründen wäre eine Verbreitung der Ganzkörperkleidung ja ein wahrer Segen.
Und wie bekomme ich nun die Kurve zu Angela Merkel? Ihr hängt man das Thema insgesamt um. Sie sei mit ihrer Flüchtlingspolitik gescheitert, wie der österreichische Verteidigungsminister anmerkt. Und dass die Burkaträgerinnen nun ins Land strömen – was sie ja nicht tun, aber jederzeit könnten, wenn sie vom österreichischen Heer nicht gestoppt würden –, ist sozusagen ihre Schuld. Was wiederum beweist, dass Frauen nicht führen können und vor allem in brenzligen Situationen die Welt ins Unglück leiten. „Quod erat demonstrandum“, wie der Lateiner sagt. „Wir haben es ja schon immer gewusst“, heißt es auf Österreichisch.
Wir erleben gerade eine brisante Phase der Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen. Viele Zeichen stehen auf „retour“. Angeblich will man Frauen vor der Burka schützen. Kann aber auch sein, dass man gerne wieder etwas mehr über sie bestimmen und vor allem die alten Männerrollen wieder in­stallieren möchte. Vorsicht ist mehr als angebracht. Solange man ihr Gesicht sieht, sollten Frauen anziehen können, was sie wollen: die deutsche Kanzlerin ihre mittlerweile legendä­ren Hosenanzüge und die modebewussten Musliminnen ihre Badekleidung. Wem’s nicht gefällt, der kann ja wegschauen.

Christine Haiden meint, ein Burka-Verbot gehe am Kern der Sache vorbei.

Wo gilt ein Verschleierungsverbot?

  • In mehreren Ländern Europas gibt es bereits Regelungen, die es Menschen verbieten, im öffentlichen Raum Ganzkörperschleier wie Burka oder Niqab zu tragen.
  • Beispielsweise haben das Frankreich, Belgien und die Niederlande beschlossen. Auch in einzelnen Regionen gelten solche Verbote, beispielsweise in der spanischen Provinz Katalanien.
  • Im schweizerischen Tessin ist es verboten, im öffentlichen Raum sein Gesicht ganz zu verhüllen oder jemanden dazu zu zwingen.
  • In Österreich hat der Nationalrat eine entsprechende Initiative der FPÖ zuletzt 2014 abgelehnt.

Was ist Ihre Meinung dazu? Schreiben Sie uns! [email protected]

Erschienen in „Welt der Frau“ 10/16 – von Christine Haiden

Illustration: www.margit-krammer.at

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  • Veröffentlicht: 23.10.2016
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