Marla steigt mit zwei Koffern aus dem Zug, James weiß, dass er sie kennenlernen muss, mit ihr Nummern tauschen und sie möglichst bald wiedertreffen will. Marla eilt weiter, findet schließlich Zeit, den Fischern zuzusehen:
„Das Wasser ist von Lichtflecken gepunktet wie ein blaues 50er-Jahre-Kleid. (S. 8)“
So beginnt die Odysse, in vier Teile geteilt, dann noch in Kapitel untergliedert, damit sich nicht verläuft, verblättert und verliert in der leichten Schilderung der Charaktere, die doch so hintergründig sind. Marla ist ein Waisenkind, sagt sie und glaubt dennoch etwas ganz anderes, ihr Vater, Ulysses könnte noch leben. Auch die Eltern von Ulysses Lelius und Estrela de Mar mussten um ihr Glück ringen, leben in ihren eigenen Sphären. Doch zurück zu James, dem Delphinforscher, dessen Großmutter 1943 in Neuseeland geboren wurde und mit 13 als erste Deflinreiterin Berühmtheit erlangte. Zwei Personen begegnen einander, profan auf einem Bahnsteig, das Drama der ganzen Weltliebe liegt noch vor ihnen. Dazwischen streut die Autorin Episoden aus dem Leben ihres Großvaters ein und steuert sehr zielgerichtet auf ihren Vater Ulysses zu. Dazwischen lässt die Autorin Marla mit James durch das Sisi-Museum streifen, über Ungarn, das Schloss Gödöllö und das im Schnee Verlaufen sinnieren. Ulysses erinnert sich an das Baby Marla, daran, dass sie so ein hübsches Baby gewesen sei, ja, klar habe die Kleine in der Nacht auch geschrien, es waren herz- und nervenzerreißende Nächte mit ihr. Die Spannung dieses Romans entsteht durch diese leichte Annäherung, die Erinnerungen bei Vater und Tochter, dazwischen viel Meer, viel Meeresschildkröten und Gespräche zwischen Liebenden. Ulysses findet inzwischen, dass Pula kein guter Ort zum Sterben sei, Veendeig, Brügge, Uppsala oder Prag könnten besser geeignet sein.
„Marla hat das Gefühl, im Wasser zu schwimmen. Das Wasser ist nicht salzig, andererseits könnte es aufgrund seiner weiten Ausdehnung dennoch das Meer sein. Sie kann das Ufer sehen und weiß aus irgendeinem Grund, dass sich in der Nähe ein Atomkraftwerk befindet. Sie weiß nicht, wie sie ins Wasser gekommen ist, aber sie weiß, dass sie zum Atomkraftwerk schwimmen muss, um ein großes Unglück zu verhindern. (S. 42)“
Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Leichtigkeit, bizarre Charakere, Beiläufigkeit anstelle großer Dramatik, witzige Dialoge, Sprachkunst
Die Autorin Yara Lee hießt eigentlich Afamia Al-Dayaa, wurde in Deutschland geboren, studierte klassisches Klavier, sie lebt seit 2011 in Wien. Der vorliegende Roman ist ihr Debüt.
Yara Lee:
Als ob man sich auf hoher See befände.
Roman.
Salzburg – Wien: Residenz Verlag 2018.
185 Seiten.