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04-05/24

Was bringt uns der Vergleich?

Was bringt uns der Vergleich?

Christine Haiden fragt sich, warum eine strahlende dreifache Mutter so viel Ärger auslöst.

Frauen neigen dazu, sich ständig an anderen zu messen – allerdings häufig in Dingen, die außerhalb ihres Einflusses liegen. Oder anders gefragt: Wie gut darf eine Mutter nach der Geburt ihres Kindes aussehen?

Kurz in die Klinik und den Prinzen gebären, fünf Stunden später dann in hochhackigen Schuhen und wie aus dem Ei gepellt für die Fotografen lächeln, und nicht einmal das Baby schaut verknittert und müde aus. Wenn das keine Vorgabe ist! Herzogin Kate scheint sich einfach leicht damit zu tun, Kinder auf die Welt zu bringen. Solche Frauen gibt es, auch außerhalb von Königs­häusern. Kann man sich da nicht einfach darüber freuen? Es gibt doch ohnehin genug Frauen, die sich in den Wehen plagen. Wem würde man das schon wünschen?

Dass die Herzogin mit frischem Baby so unglaublich apart ausschaut, weckt aber bei vielen Frauen Aggressionen. Sie empfinden das als Druck, selbst auch so perfekt aussehen zu müssen, oder als Hinweis auf das Versagen, es selbst nicht so hinbekommen zu haben. Mag sein, dass gerade die Geburt eines Kindes wie auch die Schwangerschaft in unseren Zeiten extrem aufgeladen ist mit Erwartungen. Dieses singuläre Ereignis wird mit Hunderttausenden Ratschlägen und Verhaltensnormen überhäuft. Die Erwartung von Frauen an sich selbst, alles richtig zu machen und sogar noch den ultimativen Genuss daraus zu ziehen, ist hoch. Gerade das entspannt meist wenig.

Warum setzen sich Frauen überhaupt ständig dem Vergleich aus? Vor allem, wenn es um Aussehen, Figur und die Lösung typisch weiblicher Aufgaben geht? Es muss etwas mit unserer Geschichte zu tun haben. Einerseits ist die Attraktivität des Äußeren ein Lockmittel, das Frauen schon in vormodernen Zeiten einsetzten, um Partner anzuziehen. Andererseits ist sie aber auch die Währung aus den Zeiten der Abhängigkeit. Nur wer hübsch ist, bekommt den besten Mann und ist mitsamt den Kindern gut versorgt. Diese harte Realität hat noch in der Generation unserer Großmütter gewirkt. Wer nichts „gleichschaute“, blieb übrig. Und das war mitunter bitter.

Den Druck, den früher der Heiratsmarkt ausgelöst hat, hat heute die Beauty-Industrie übernommen. Und die sozialen Medien legen noch eins drauf, denn dort wird erst recht mit voller Härte kritisiert, was nicht aussieht, wie mit Photoshop bearbeitet. Wir wissen das, und trotzdem verhalten sich viele völlig irrational. Vergleiche bringen dann etwas, wenn ich etwas erreichen will, was innerhalb meiner Möglichkeiten ist und in irgendeiner Form messbar sein könnte. Wer sich sportlich matchen will, sollte sinnvollerweise schauen, was die anderen im Feld machen. Biologische und persönliche Voraussetzungen, wie sie meist unser Aussehen bestimmen, sind in der Regel nicht veränderbar. Mit Vergleichen entkommt man ihnen nicht, die verschärfen nur ein unlösbares Problem.

Manchmal befällt mich der Gedanke, dass Frauen auch bewusst manipuliert werden, ständig in der optischen Vergleichsschleife hängen zu bleiben. Wer dauernd mit Abnehmen, Schönheitseingriffen, Fitnessplagen oder Kleiderkaufen beschäftigt ist, hat keine Zeit für Wichtigeres. Eine böse Unterstellung.

Aber zurück zur jungen Mutter. Prinzessinnen sind eine fast schon archaische Projektionsfläche für Frauen. In jeder von uns steckt angeblich eine Prinzessin, die auf den Prinzen wartet. Okay, gekauft. Aber auf jeder von uns sitzt auch ein Kopf, der selbst denken kann, der sich von diesen Gefühlen distanzieren und vielleicht sogar locker damit umgehen kann. Schön für die Herzogin von Cambridge, dass sie eine so gute und leichte Geburt hatte, wir gratulieren, gönnen es ihr und hoffen, dass sie nicht von einer fiesen PR-Maschinerie genötigt wurde, kaum aus dem Kreißsaal, mit ihrem Nachwuchs zu posieren. Dann wenden wir uns wieder dem eigenen Leben zu mit all seinen Möglichkeiten, den Kindern, die leicht kommen, und denen, die sich bitten lassen, den strahlenden Stunden mit dem Baby und denen mit Heul­anfällen. Es geht nichts über das eigene, echte Leben. Da hält selbst das britische Königshaus einem Vergleich nicht stand.P

Christine Haiden fragt sich, warum eine strahlende dreifache Mutter so viel Ärger auslöst.

Der Vergleich macht Sie – unsicher!

Ein Vergleich, heißt es in der Philosophie, sei eine Methode, durch die Gleichheit oder Ungleichheit erkannt wird. Klingt recht nüchtern und sagt wenig aus über die Falle, in die vor allem Frauen besonders gerne tappen. Der Vergleich mit anderen löst bei ihnen viel öfter Gefühle von Minderwertigkeit aus als Freude über den eigenen Weg oder die eigenen Stärken. Evolutionär waren Vergleiche durchaus sinnvoll, etwa in Bedrohungssituationen, in denen es darum ging, rasch zu checken, ob der andere stärker ist, und gegebenenfalls zu flüchten. Vergleiche ohne Not, die dazu führen, uns schlechter zu fühlen, überhöhen einerseits Eigenschaften einer anderen Person und führen gleichzeitig dazu, sie deswegen zu schmähen.

Gibt es dafür auch andere Lösungen? Wir haben es selbst in der Hand, den Kreislauf des Vergleichens, der uns in einen Teufelskreis vermeintlicher Perfektion bringt, zu durchbrechen. Dazu braucht es den Mut, das eigene Leben anzunehmen und sich bei anderen zu bedanken, wenn deren Weg zur Inspiration wird.

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  • Veröffentlicht: 24.06.2018
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