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03/24

Und es passiert immer wieder

Und es passiert immer wieder

Die Miniaturen treffen den Wesenskern, enttarnen die Absicht hinter der Absichtslosigkeit, sind boshaft und noch beim dritten Lesedurchgang brillant. Ja, der Autor ist der Uli Brée, der Drehbuchschreiber der Serie „Vorstadtweiber“ sowie Drehbuchschreiber der Österreich-Tatorte, genial halt. Wann, wenn nicht auf dem Weg ins Kino, um „Titanic“ gemeinsam untergehen zu sehen, ist der beste Zeitpunkt für die perfekte Liebeserklärung. Sie reißt sich ihr Jeanshemd auf, er sorgt sich um die wegspritzenden genieteten Knöpfe und weiß sofort: Dieser Gedanke ist jetzt falsch. Wien, Heldenplatz, ein offenes Herz, ein offenes Jeanshemd und einer, dem eine gerade ihre Liebe gestanden hat, denkt darüber nach, wie er an eine Nietzange kommt. Ja, er weiß es, geht mit der, die sie sofort zum Heldenplatz bringt, ins Kino. Glück für einige Jahre. So erzählt Uli Brèe und genau denken wir manchmal, das mit dem Zugeben klappt noch nicht so richtig.

Die Sekundenliebe, die Liebesphantasie, aus der man schließlich beruhigt aufwacht und doch noch keine Kinder hat, noch dazu welche, die alle die Namen von Kartoffelsorten tragen. Auch so eine Phantasie, sich zwischen Biokarotten und festkochenden Kartoffeln unsterblich zu verlieben. Raus aus der Geschichte, einen Wimpernschlag später ist er zurück im Supermarkt, ach ja, er sucht die Biokarotten. Hier war man für einen Moment ein Paar mit drei Mädchen gewesen.

„Ihre Herzen waren müde und erschöpft nach den vielen gemeinsamen Jahren und sie konnten es einander nicht verübeln. Die Liebe war ihnen abhandengekommen wie ein Handschuh, der sich bei einem nasskalten Strandspaziergang heimlich aus der Tasche stiehlt und seine bessere Hälfte der Nutzlosigkeit überlässt. Sie hatten sich am Leben abgerieben und abgeschliffen. (Seite 118)“

Die kurzen Geschichten erzählen von Pizza, von Wunschsex, von Einsamkeit und von Charmeuren, von Hirnforschung studieren und Schokolade genießenden Frauen. Ja, streng wissenschaftlich betrachtet, ist es eben egal, ob man Schokolade isst oder jemanden küsst.

 
 

Was Sie versäumen, wenn Sie die Geschichten nicht lesen: Witz, Ironie, das Leben als Schnappschuss, die Liebe in ihrer Leichtigkeit, die Liebe in ihrer Verrücktheit, die Liebe in ihrer Schwere, packenden Erzählton, Freude daran, den Liebsten zu treffen, die Liebste zu treffen, sich selbige sofort zu suchen. Vielleicht in einer Vorstellung der „Titanic“ oder auch bei den Biokarotten.

Der Autor ist erfolgreicher Drehbuchautor, „Vier Frauen und ein Todesfall“ und zahlreiche Drehbücher zum Österreich-Tatort stammen von ihm, die Serie „Vorstadtweiber“ ist einer seiner aktuellen Quotenhits.

Uli Brèe:
Schwindelfrei.
Frauen sind gar nicht so. Sie sind ganz anders.
Salzburg – Wien: Residenz 2017.
150 Seiten.

Christina Repolust

wurde 1958 in Lienz/Osttirol geboren. Sie schloss das Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg ab. Seit 1992 ist sie Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Zudem leitet sie Literaturkreise und Schreibwerkstätten für Groß und Klein. Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.“

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  • Veröffentlicht: 07.03.2018
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