Kinder haben feine Antennen. Wie können Eltern ihre Kinder gut durch Umbrüche begleiten?
Julias Familienrat
Julia Langeneder: Frau Güttersberger, was fühlen Kinder, wenn Eltern sich trennen?
Margit Güttersberger: Jeder Umbruch in einem Familienleben wird individuell erlebt. Allgemein kann man sagen, dass Kinder oft verunsichert sind. Manchmal kommen Ängste auf – wie die Angst, verlassen zu werden. Auch wenn Eltern in einer Trennungsphase sehr mit sich selbst beschäftigt sind, sollten sie das Verhalten des Kindes gut beobachten.
Frau Perry, wie hat Ihr Sohn reagiert, als Sie ihm sagten, dass seine Eltern sich trennen?
Katharina Perry: Mein Ex-Mann war beruflich viel im Ausland. Wir haben unserem Sohn – er war damals fünf – gesagt, dass sich für ihn wenig ändern wird. Er wird zwei Wohnsitze haben und die Eltern werden geschieden sein. Aber er wird seinen Vater mindestens genauso oft sehen. Mein Ex-Mann und ich haben das Gespräch nach Regieplan aufgeschrieben und geprobt, weil es eine sehr emotionale Angelegenheit war. Ich war überrascht, wie gut es unser Sohn aufnahm. Erst ein paar Stunden später kam er zu mir und meinte: „Bedeutet das, dass ihr nicht mehr verheiratet seid?“ Ich hab ihm erklärt, dass sein Papa und seine Mama dann getrennt sind. Dieser Status machte ihn fertig und er begann zu weinen. Es kam alles auf einmal heraus und danach nie wieder. Ich hab ihn in den Arm genommen und gesagt, dass es an der Liebe der Eltern zu ihm nichts ändern wird, und es war für ihn dann auch okay.
Güttersberger: So, wie Sie das erzählen, haben Sie das gut gemacht. Sie haben sich gut vorbereitet und ehrlich mit dem Kind geredet. Ein Kind kann da gut mit, weil es merkt: Für die Eltern ist das in Ordnung.
So klar und sachlich miteinander zu kommunizieren, gelingt nicht allen Eltern.
Güttersberger: Wichtig wäre, dass die Eltern zuerst auf der Mann-Frau-Ebene mit sich ins Reine kommen. Kinder spüren sehr genau die Gefühlswelt der Eltern. Wenn sich nur einer trennen möchte und der andere nicht, ist ein gemeinsames Gespräch oft nicht möglich, dann kann es helfen, eine vertraute Person beizuziehen, wie eine Oma oder Tante, oder man holt sich professionelle Unterstützung.
Julia Langeneder,
Familienredakteurin und Mutter von zwei Kindern, lädt jeden Monat zum Familienrat ein.
Wie schafft man es, die Ebene der gescheiterten Beziehung und die Elternebene voneinander zu trennen?
Güttersberger: Indem man ehrlich zu sich selbst ist und immer wieder in Überprüfung geht: Wo ist etwas offen als Frau und Mutter oder Mann und Vater? Wo gibt es einen Vorwurf, eine Sehnsucht, eine Traurigkeit, und wie kann ich damit umgehen? Damit irgendwann die Ebene „wir als Eltern“ frei wird.
Perry: Ich war sieben Jahre verheiratet, die Scheidung dauerte zwölf Monate. Es war die schwierigste Zeit meines Lebens. Da lernt man, die Gefühle zu trennen. Die Liebe zum Kind ist bedingungslos – egal, was passiert. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist nicht die gleiche Liebe, sie kann kommen und gehen.
Manche Kinder entwickeln Schuldgefühle, weil Papa und Mama nicht mehr zusammen sind. Wie lässt sich das verhindern?
Perry: Unser Sohn hat auch nachgefragt, warum wir uns trennen. Wir haben gesagt: „Die Trennung hat nichts mit dir zu tun.“ Dann hat er gefragt: „Warum trennt ihr euch dann?“ Wir haben gesagt: „Weil Mama und Papa sich nicht mehr lieben. Aber wir bleiben Freunde.“
Güttersberger: Kinder wollen, dass es Mama und Papa gut geht, und sie versuchen, alles dafür zu tun. Wenn Kinder sehen, dass die Mama traurig ist, fragen sie sich: „Was hat das mit mir zu tun?“ Wichtig ist, die Schuld herauszunehmen: „Niemand ist schuld.“
Kinder geraten in einer Trennungssituation häufig in einen Loyalitätskonflikt. Was raten Sie?
Perry: Ich bin selber ein Scheidungskind und erlebe bis heute, wie schlimm es ist, wenn Eltern schlecht übereinander reden. Sätze wie „Du machst das genauso wie deine Mutter“ haben mich früher fertiggemacht. Die Mama ist ein Teil von dir, das heißt, gleichzeitig wird das Kind schlechtgemacht. Mittlerweile sag ich: „Ja, und ich bin stolz darauf, dass ich es wie Mama mache.“ Ich rede nie schlecht über meinen Ex-Mann, auch wenn es in manchen Situationen schwer ist. Aber ich weiß, wie sehr Kinder darunter leiden.
Güttersberger: Konflikte, Macht und Besitzansprüche über das Kind auszuagieren, ist für Kinder sehr belastend. Ein Kind kann das nicht auflösen und hat oft lange damit zu tun. Es braucht viel eigene Lebenserfahrung, um sagen zu können: „Das ist eure Geschichte.“ Gut wäre, wenn die Kommunikation zwischen Mutter und Vater klar und direkt funktioniert.
Der erste Urlaub nach der Trennung: Was sollte man beherzigen?
Perry: Wir haben nach der Scheidung überlegt, ob wir Weihnachten zusammen feiern sollen. Unsere Therapeutin riet uns zu einem klaren Schnitt, weil es für das Kind ansonsten verwirrend ist. Unser Sohn hat also einmal mit meiner Familie gefeiert und ein zweites Mal mit der Familie seines Vaters.
Güttersberger: Für Kinder ist es wichtig, Klarheit zu haben. Urlaube, Geburtstage, Weihnachten – neue Rituale auszuprobieren, tut der gesamten Familie gut.
Julias Gäste
Margit Güttersberger,
Psychotherapeutin und
systemische Familientherapeutin
Katharina Perry,
Eventproduzentin und Autorin („Wir sind trotzdem eine Familie. Auch wenn Papa und Mama sich trennen …“, katharinas-welt.com), Mutter eines Sohnes (8 Jahre)
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