Hier beginnt der Krimi mit der Todesnachricht, also der tödlichen Diagnose, also damit, dass einem der Arzt mitteilt, man habe nicht mehr allzu lange zu leben. Bevor die Spurensucher*innen unter den Leser*innen jetzt aufstehen und sich mal die Plastikhandschuhe anziehen, ein wichtiger Zwischenstopp im Erzählverlauf. Es geht jetzt nämlich um Pilze, genauer gesagt, um Matsutake, auch Kieferduftritterlinge genannt, ein Verkaufsschlager in Japan. Es soll, so steht es zwischen der tödlichen Diagnose und dem Fortgang der Geschichte, Japaner geben, die tausend Euro für ein Kilo Matsutake hinblättern. Und inmitten des wirtschaftlichen Einbruchs des Ich-Erzählers und seiner Frau Taina entstand diese Start-up-Idee: Mit einem saftigen Existenzgründerzuschuss fanden sie quasi zum Nulltarif Räume und gegen ordentliche Bezahlung Mitarbeiter, die die Felder und Wälder der Umgebung nach Pilzen absuchen. Pilze finden, würde Janosch, der Schreiber und Zeichner, sagen.
Wer jetzt Pilze und Gift kurzschließt, greift daneben. Taina, die wunderbare Köchin, vergnügt just in dem Moment mit Petri, einem Mitarbeiter, als ihr Mann ihr mitteilen will, dass sie recht bald Witwe wird. Doch das Blatt wendet sich, die, die der Ich-Erzähler verdächtigt, ihn vergiften zu wollen, zeigen bald auch erste Symptome einer Vergiftung. So blöd ist doch niemand, einen Mord so zu tarnen, dass man beinahe selbst dabei draufgeht? Nein, so sind Taina und Petri nicht, die sind nicht raffiniert, eigentlich sind sie – abgesehen von Ehebruch und Illoyalität – recht nette Menschen.
„Ich habe eine Redewendung gehört, laut der man jeden Tag so leben sollte, als sei es der letzte. Ich denke, dass ich da noch einen draufsetzen kann. Ich lebe so, als würde der nächste Moment mein letzter sein. Es gibt nichts, wovor ich Angst haben müsste. Alles ist neu, alles ist losgelöst von Voraussetzungen, jeder Moment ein neues Abenteuer. (S. 310)“
Der Mörder ist ein ganz anderer, ein Loyaler, einer, der immer Pech in der Liebe hatte. Und die Liebe siegt zwischen all den Intrigen, zwischen Unmengen an Kaffee und Start-Ups und Japanern, die so gern die Kieferduftritterlinge essen. Ja, man wird hungrig, man bekommt Lust auf diese verdammten Pilze und auf Menschen, die gern miteinander arbeiten, reden, Kaffee trinken, sich ein wenig vergiften und dann richtig gutes Essen genießen. Ja, die Sauna fehlt hier natürlich auch nicht. Aber das ist eh klar! Finnisch halt.
Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Lust aufs Leben, Schreckensmeldungen, Kopfkino, Lust, sich sofort etwas zu kochen, hier ist sogar der Dampf der gekochten Kartoffeln erotisch, Lebensfreude, Ironie in der Handlungsführung und in der Schreibe.
Der Autor, 1971, gilt, so schreibt es der Klappen-Text, als einer der angesehensten finnischen Schriftsteller.
Niina Katariina Wagner, 1975 in einer kleinen Küstenstadt im Südwesten Finnlands geboren, lebt seit 2000 als freie Künstlerin in der Nähe Frankfurts.
Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als Musiker und freier Schriftsteller in der Nähe Frankfurts. Er schreibt ebenfalls Romane – sein Held ist der junge Ermittler Kimmo Joentaa – ich liebe das Schreiben von Vokalen!
Antti Tuomainen:
Die letzten Meter bis zum Friedhof.
Roman.
Übersetzt von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Hundert Augen 2018.
316 Seiten.