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03/24

Kinderbuch: Träume für die Zukunft

Kinderbuch: Träume für die Zukunft

Wie wird es einmal sein, wenn du größer bist?
Was ist dir wichtig und wertvoll?
Wie möchtest du einmal sein und leben?

Wenn Kinder zu Jugendlichen werden, verändert sich ihre Weltsicht. Ein Sammelsurium an Fragen kreist um private und gesellschaftliche Themen unserer Zeit: Hautfarbe und Gendergerechtigkeit, Patchwork- und Regenbogenfamilien, romantische Liebe und freundschaftlicher Zusammenhalt, Armut und Reichtum, Sorge um die Natur …

Leonora Leitl liefert uns einen Rahmen zum gemeinsamen Nachdenken, eine reichhaltige Auswahl an Denkanstößen, und damit etwas Unfertiges, Bruchstückhaftes. Ein Ding voller Lücken, die Deutungsspielraum lassen. Das Buch schreibt sich immer wieder neu fertig durch die individuellen Antworten der Betrachtenden – das Handschriftliche „wirst du“ im Titel lässt es anklingen –, es wird aber doch nie fertig sein.

Mit Bedeutung füllt es sich erst durch gemeinsames oder allein zurückgezogenes Spintisieren, durch das Verknüpfen mit den eigenen Vorstellungen und Werthaltungen. Nora spielt Grundschulkindern ab 8 Jahren mit ihren Fragen Bälle zu. Teilweise humorvoll und ironisch lädt sie ein, sich Gedanken zu machen über Zukünftiges: Einmal wirst du … was genau?

Und wir merken beim Ansehen, dass so eindeutig, wie manche Bilder es nahezulegen scheinen, die Antworten niemals sein können. Die großen Fragen lassen sich nicht beantworten – eine gute Hinführung zu einer bewusst philosophischen Sichtweise unserer Welt.

Gleich zu Beginn bremst uns das Buch. Verlangsamung entsteht durch die beiden ersten Abbildungen von 16 Porträts nach dem Schema „vorher-nachher“, die wie Suchbilder vor- und zurückblätternd ein genaues Hinsehen und Vergleichen einfordern. Diese Eröffnung stimmt ein auf das gemächliche Tempo, das dieses Bändchen braucht.

Die Autorin hat der Abfolge ihrer Fragen keine starre Struktur zugrunde gelegt, auch wenn diese sorgfältig komponiert ist. Manche sind auf eine Doppelseite beschränkt, einige Überlegungen werden auf der darauffolgenden Doppelseite weitergeführt. Die Reihung lädt ein zu mäandrierenden Gedankengängen. „Haben Eltern ihre Kinder immer lieb?“ bildet eines der Zentren. Zusammen mit der voran- und nachfolgenden Doppelseite wird eine Geschichte von Trennung, der Sehnsucht nach Glück in einer Partnerschaft und der Offenheit von Beziehungs- und Familienformen erzählt. Das Wiedererkennen mancher der eingangs porträtierten 16 Personen legt ein Verknüpfen der einzelnen Fragen untereinander nahe.

Unweigerlich tauchen Folgefragen und Gegenfragen auf, hakenschlagend befinden wir uns im schönsten Dialog. Immer wieder sind die Themen zwischenmenschliche Beziehungen, Anerkennung und Akzeptanz, das Eingebunden-Sein in eine Gemeinschaft, in der Heranwachsende zwischen Kinder- und Jugendalter ihren Platz suchen, sich ausprobieren und Entscheidungen treffen, die sie zum Teil später revidieren werden. Zusätzliche Fragen drängen sich auf, eine davon könnte auch lauten: „Sind Tiere und Pflanzen Dinge?“

So rasch sich unsere Welt ändert, so sehr sind wir aufgerufen, uns immer wieder auf einen liebe- und verantwortungsvollen Umgang miteinander zu besinnen. Die abschließende Frage „Wirst du immer bei mir bleiben?“, die das Bild mit einem nebeneinander auf einem Dachfirst sitzenden jungen Pärchen und der Sprechblase „Ja.“ beantwortet, deutet hin auf den Wunsch aller nach Verständnis, Geborgenheit, Frieden. Wer, wenn nicht ich selbst könnte dafür sorgen, dass die Welt ein besserer Ort wird?

Leonora Leitl:
Einmal wirst du …
Tyrolia Verlag 2019

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Veronika Mayer-MiedlVeronika Mayer-Miedl

wurde 1971 geboren, ist Buchhändlerin, Mutter von 3 Kindern und lebt in Ottensheim, wo sie 17 Jahre im Kleinen Buchladen tätig war. Ein Fernkurs für Kinderliteratur an der „STUBE Wien“ war wegweisend. Glückliche Begegnungen bei Seminaren im „Kinderbuchhaus im Schneiderhäusl“ inspirierten zu Bilderbuch-Stunden für Eltern-Kind-Gruppen, zu Literaturvermittlung für Vorschulkinder und zu Referententätigkeit für Kindergartenpädagogik. Aktuell rollt sie mit Eisenbahn oder Fahrrad die Donau entlang nach Linz, wo sie als Mitarbeiterin der Buchhandlung ALEX am Hauptplatz Bücher empfiehlt, die auf den zweiten Blick noch Überraschendes bereithalten. Mit ihrer Freundin vom Figurentheater [isipisi] teilt sie die Leidenschaft für das japanische Erzähltheater „Kamishibai“ und gibt Vorführungen in Bibliotheken, Kindergärten und Schulen. Fallweise tritt sie als Grille, rebellische Juliane oder sogar Meerjungfrau auf.

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  • Veröffentlicht: 02.03.2020
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