Leben ist mehr, als das Runde ins Eckige zu bringen
Diesen Roman habe ich mir wirklich erarbeitet. Gleich im ersten Satz erzählt Schachinger von Ivo, der in einem Bugatti sitzt. O.k. jetzt kann ich mir dieses Autor vorstellen. Es fällt mir leicht, mir Ivo, im Bugatti sitzend, wartend und denkend vorzustellen. Denn Ivo ist ganz anders. Anders als ihn die Leute so sehen, den Spitzenfußballer, das Genie, der für immer höhere Summen an Clubs verkauft wird. Ivo und Jessy und die Kinder: Das ist eine Traumfamilie, die sich Leute gern in Hochglanzmagazinen anschauen. Am ehrlichsten ist Ivo zu sich selbst, wenn er mit seinen alten Freunden Kurt und Nuri redet, dann kann er auch von Mirna, seiner großen Liebe schwärmen.
Reich und berühmt ist er jetzt, als Profifußballer muss er auch richtig gut wohnen, das Richtige machen und Leistung bringen. Schnelle Dialoge, kurze Sätze und viel Handlung zwischen Kurzstreckenflügen und Trainingseinheiten. „Bin dir nachgeflogen“ ist die Kurznachricht von Mirna, die Ivo aus dem Lot kickt. Und jetzt auch noch das Spiel gegen Bosnien!
„Aber wenn jemand Tschusch meint, dann soll er auch Tschusch sagen, statt Tschusch zu meinen und Mensch mit Migrationshintergrund zu sagen. Ivo hasst diese neue, nervige, pseudohöfliche Art der Schwabos.“
Die Abrechnung mit Profifußball, mit Standard-Floskeln in Interviews, mit den Erwartungen, die andere an ihn, den Tschusch haben, erledigt Ivo ganz nebenbei. Einerseits hält er seine Frau bei Laune, kümmert sich um seine Kinder und Verwandten und lässt sich andererseits auf die Beziehung mit Mirna ein. Sex und Gespräche, die er so nicht kennt.
„Es gibt viele Gründe, Österreich zu hassen: die Menschen, die Berge, die Kleingeistigkeit, die Hängengebliebenen, den Hass, die Ausländerfeindlichkeit, die Tiroler, das Hinterland, die Kleinstädte, die Provinz; aber Ivo hat sich noch nie so gefreut, nach Hause zu kommen. Er hört den AUA-Walzer, trinkt den Rest Fanta aus und schaltet sein Handy vom Flugmodus auf normal.“
Der Käfig, die Freunde, die Akademie: Das liegt hinter ihm, ebenso Kai, sein erster richtiger Trainer, der vor vier Jahren gestorben ist. Ivo trinkt Fanta und redet leere Hülsen, funktioniert – privat und beim Spielen – und erinnert sich an all die Momente, in denen es in ihm „klick“ machte: Er ist auf dem richtigen Weg! Er, der Tschusch, der in seiner Jugend nur einen Ort kannte, sich selbst. Ivo Trifunovic bekommt sie schließlich doch gezeigt: erst die gelbe, dann die rote Karte, im Leben und am Fußballfeld.
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen
Wissen über Fußball, schnelle Dialoge, Herkunftsfragen, Liebe und das, was man dafür halten kann, Romantik, Männergespräche, Soziologie.
Der Autor Tonio Schachinger
1992 in New Delhi geboren, studiert in Wien Germanistik sowie Sprachkunst. Dieser Romanerstling hat ihn auf die Short-List für den deutschen Buchpreis gebracht.
Tonio Schachinger:
Nicht wie ihr.
Roman.
Kremayr & Scheriau 2019.
304 Seiten.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.