Das Gelten-Lassen anderer Denk- und Handlungsweisen ist der erste Schritt zu einem echten Miteinander. „Nur, wer sein Gegenüber toleriert, kann Interesse an ihm entwickeln“, sagt die Meditationstrainerin Gertrude Pallanch. Sie sieht Toleranz als eine Form der Lebenskunst.
1. Toleranter mit sich sein
Bestimmt kennen Sie die Aussage „Leben und leben lassen“. Das bedeutet in erster Linie, den Blick auf die eigene Lebensweise zu richten. Denn tolerantes Verhalten fängt bei uns selbst an. Je mehr wir uns selbst tolerieren, annehmen und akzeptieren, desto leichter fällt es uns, auch das Verhalten anderer zu dulden. Richten Sie also Ihre Aufmerksamkeit zunächst auf Ihr eigenes Verhalten.
Beobachten Sie, wie Sie leben und was Sie alles bei sich selbst durchgehen lassen. Fragen Sie sich: Wie reagiere ich auf das, was ich tue oder nicht tue? Wie rede ich über mich? Tue ich mir etwas Gutes oder schade ich mir? Schätze ich meine Stärken und Begabungen? Weiß ich auch um meine persönlichen Schwächen?
Und vor allem: Neige ich dazu, mich selbst zu kritisieren, oder schaue ich mit einem milden, nachsichtigen Blick auf mein jeweiliges Verhalten?
2. Toleranter mit anderen sein
Angenommen, Sie treffen auf einen Menschen, der das Leben und die Welt anders versteht als Sie. Welche Gefühle steigen in Ihnen hoch? Ist es Angst, dass Sie „falsch“ sind? Ist es Wut, weil Sie glauben, im Recht zu sein? Oder ist es Ohnmacht, weil der andere Sie von seiner Sicht zu überzeugen versucht? Egal, welche Gefühle sich melden, lassen Sie sie einfach da sein, ohne sie zu bewerten.Lassen Sie sich ruhig Zeit damit.
Können Sie nun auch Ihr Gegenüber sein lassen, ohne es zu bewerten? Nehmen Sie wahr, dass sich in Ihnen etwas verändert hat? Dass Ihre Vorurteile sich in Luft auflösen und innerem Frieden weichen? Dass sich neue Türen öffnen und Sie auf einmal aufgeschlossener, ja sogar interessierter an Ihrem Gegenüber sind? Dann merken Sie bestimmt auch, warum Sie mit dem Handeln des anderen nicht einverstanden sein müssen, aber dennoch den Respekt aufbringen können, um seine Meinung und Haltung gelten zu lassen.
3. Brückenbauerin sein
Sie geraten als Außenstehende in eine Situation, in der mehrere Personen diskutieren oder streiten? Dann lassen Sie das zu. In einer Demokratie hat jede und jeder das Recht, ihre oder seine Meinung zu äußern. Um den unterschiedlichen Ansichten Raum zu geben, hören Sie allen aufmerksam zu.
Achten Sie aber darauf, dass Sie von den jeweiligen Positionen Abstand halten und keine Entweder-oder-Denkweise einnehmen. Haben Sie dennoch das Gefühl, sich auf die Seite des einen oder anderen schlagen zu wollen, überprüfen Sie Ihre Vorurteile – Kurskorrekturen sind immer möglich!
Sobald Sie wieder eine neutrale Position eingenommen haben, können Sie alle Beteiligten zum Finden von Sowohl-als-auch-Möglichkeiten ermutigen und mit ihnen gemeinsam das Verbindende suchen.
Gertrude Pallanch (69) aus Wels ist Lebens- und Sozialberaterin, Meditationsleiterin, Krankenhausseelsorgerin und Referentin in der Erwachsenenbildung: „Am besten übe ich Toleranz mit meinen drei erwachsenen und sehr unterschiedlichen Töchtern. Das macht Freude und hilft mir, mich persönlich weiterzuentwickeln. Begegnung mit Menschen liegt mir am Herzen.“
Foto: Nik Fleischmann