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04-05/24

Tödliche Cocktails

Tödliche Cocktails

Private Krisen und raffinierte Mordanschläge während der Copenhagen-Fashion-Week

Nichts ist so, wie es scheint. Nur die Kälte, die stimmt immer im Jänner in Kopenhagen. Katrine Engberg schickt Polizeiassistent Jeppe Korners und Anette Werner, die übrigens beide mit privaten Problemen ein- und zugedeckt sind, in die Kälte und auf unzählige falsche Spuren.

Das erste Opfer, der vermeintlich Obdachlose, ist Alpha Bartholdy, ein erfolgreicher Designer. Das Erbrochene an seiner Designerkleidung, die der von Obdachlosen nicht unähnlich ist, führt auf die falsche Spur: Wer kann Interesse daran haben, einen Armen mit Abflussreiniger zu vergiften? Wer kommt überhaupt den Reichen und Schönen so nahe, dass sie oder er ihnen die tödlichen Cocktails verabreichen kann? Während Anette mit ihrem Kreislauf und ihrem hohen, unregelmäßigen Blutdruck kämpft, schlägt sich Ermittler Jeppe mit seiner neuen Beziehung herum: Warum eine feste Bindung eingehen? Warum Verbindlichkeiten schaffen? Ja, da ist auch noch seine Freundschaft mit der 68-jährigen Esther de Laurenti, einer emeritierten Professorin, die ihm beim ersten Fall mehr unfreiwillig als freiwillig, dafür aber sehr effizient, geholfen hat. Esther liebt guten Wein, ihre beiden Hunde und sogar den nervigen Mitbewohner Gregers. Sie ist es, die die Polizei auf die richtige Spur – eine Prominentenrunde im Fernsehen, die Ratschläge zu ausgewählten Problemen der Zuseher*innen gibt – setzt.

Was, wenn sich jemand an jedem einzelnen dieser prominenten Ratgeber rächt? Alpha Bartholdy war in der Runde ebenso Gast wie weitere Mordopfer. Wer aber wurde mit den Ratschlägen dermaßen beschämt, dass er so brutal Rache nimmt? Zwischen dem hektischen Ermitteln, dem vielen Essen und den unzähligen Tassen Kaffee, die jeder Skandinavien-Krimi zu brauchen scheint, geht ein rätselhafter Mann seiner Arbeit am Geologischen Museum nach. Er trägt schwer an seinem Schicksal, das er gern für sich behalten möchte.

Der Kriminalroman ist der neue Gesellschaftsroman: Der vorliegende Text unterstützt diese These, charmant, spannend, hintergründig, Gerechtigkeit suchend. Ach, wenn nur dieser viele, im Text als untrinkbar beschriebene Kaffee nicht wäre! Dennoch: ein Genuss, diese Spannung, Verwirrung, Aufdeckung und diese witzigen, herben Dialoge.

Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen: Gekonnt gemachte Spannungsräume, Handlungsbögen, die durchdacht sind, Irrwege, Sonderlinge und schrullige Persönlichkeiten, eine Idee, wie brutal das Leben sein kann, Interesse an Außergewöhnlichem, die Angst davor zu verlieren, mit einem Pappbecher mit Kaffee ratlos vor dem eigenen Auto zu stehen: Das ist nämlich, liest man diesen Thriller, häufig der Moment der absoluten Wahrheit!

Die Autorin Katrine Engberg: 1975 in Kopenhagen geboren; arbeitet für Theater und Fernsehen, ist als Choreografin, Tänzerin und Regisseur in Dänemark bekannt. Mit ihrem Debüt „Krokodilwächter“ zeigt sie die Vielfalt ihrer Talente, sie weiß Figuren zu konzipieren und Bühnen zu bespielen.

Katrine Engberg:
Blutmond.
Ein Kopenhagen-Thriller.
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg.
Diogenes Verlag 2019.
480 Seiten.

Christina Repolust

wurde 1958 in Lienz/Osttirol geboren. Sie schloss das Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg ab. Seit 1992 ist sie Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Zudem leitet sie Literaturkreise und Schreibwerkstätten für Groß und Klein. Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.“

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  • Veröffentlicht: 24.07.2019
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