Aktuelle
Ausgabe:
Bewegung
04-05/24

Kinderbuch: Täglich erfrischende Erkenntnisse

Kinderbuch: Täglich erfrischende Erkenntnisse

Gewohnt Grandioses kommt hier von Antje Damm mit lockerem Strich gezeichnet daher. In kurzen Bildgeschichten hält sie Szenen aus dem Alltag der Schulanfängerin Ida fest: ein „Tagebuch“ der besonderen Art.

Idas Hase ist treuer Begleiter und macht all ihre kreativen Einfälle und Spielideen geduldig mit. Dass Ida so eigenständig handelnd dargestellt wird, ist beeindruckend und zeigt, was an Erkenntnissen entstehen kann, wenn Kinder vertrauensvoll sich selbst überlassen spielen können. Die Mama gibt es nur fallweise als Stimme aus dem Off, ansonsten zeigen die Bilder ausschließlich Ida und ihr Tier, und was sich zwischen ihnen abspielt an facettenreicher Interaktion, inklusive abschließender, oftmals erstaunlicher Schlussfolgerung. Ida agiert, der Hase reagiert, unmissverständlich mit sprechender Mimik, die zu deuten Spaß macht. Offen ist dabei, ob der Hase Stofftier oder Haustier ist, was zusätzlichen Gesprächsstoff birgt für Kinder zwischen magischer und rationaler Vorstellungswelt.

 

Wer die Beschreibung herkömmlicher Tagesabläufe erwartet, wird von der vorwitzigen Ida überrascht. Die nimmt sich kein Blatt vor den Mund und äußert entwaffnend ehrlich, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und kann dann wieder ganz behutsam, zärtlich und nachdenklich sein. Ungezwungen setzt sie sich mit den wirklich großen und auch weniger großen Fragen auseinander: „Wo hat der Regenwurm seinen Popo?“ Schlusspointen laden zu Anknüpfungsgesprächen ein.

Parallel zu den Episoden auf der rechten Seite wird jeweils ein Gegenstand aus der Geschichte auf der linken Seite abgelegt. Nach und nach füllt sich der blaue Raum mit den immer wieder neu angeordneten Dingen. So entsteht Anreiz für ein Vor- und Zurückblättern im Buch, an ein wieder Vergegenwärtigen der unterschiedlichen Geschichten.

Die Heldin erinnert nicht nur wegen ihrer roten Haare an Pippi. Überhaupt steckt viel Lindgren in Idas Tagen, schon ihr Name ist Referenz an die kleine Schwester von Michel in der Suppenschüssel. Ihre unbändige Lebenslust und ihr Temperament erinnert an Lotta, die impulsiv von Zuhause auszieht. Oder an diverse andere Figuren, die im scheinbar Alltäglichen den Rätseln des Lebens auf der Spur sind.

Als Buch mit Bildgeschichten kann der handlich broschierte Band gemeinsam gelesen werden. Uns erwachsene Vorleser*innen führt er ganz nah heran an die Gedankenwelt von Sechsjährigen. Für Leseanfänger*innen sind die Bildgeschichten eine tolle Lektüre. Die wenigen Sätze der lebendigen handschriftlichen Texte in Druckschrift erschließen sich spielend leicht. Was dahinter steckt ist tiefgründig und philosophisch, aber auch humorvoll und unterhaltsam.

Die Absicht, Familien zum Gespräch zu verleiten, hat Antje Damm bereits vielfach vertreten. Besonders mit „Frag mich“, ein Buch für ab Vierjährige, das vielseitige Themenbereiche berührt. Humorvolle Leichtigkeit mit existentieller Tiefe zu vereinen macht dabei ihre große Kunst aus. Wer Frau Damms Bücher noch nicht alle kennt, dem rate ich dringend, das nachzuholen! Sie ist eine der größten Kinderliteratur-Schaffenden unserer Zeit, ihre Bücher sind aus dem Kanon der Gegenwart nicht wegzudenken.

Antje Damm:
Jeder Tag ist Ida-Tag
Ab 6 Jahren
Moritz 2019

> Zur Beschreibung  & Leseprobe

Veronika Mayer-MiedlVeronika Mayer-Miedl

wurde 1971 geboren, ist Buchhändlerin, Mutter von 3 Kindern und lebt in Ottensheim, wo sie 17 Jahre im Kleinen Buchladen tätig war. Ein Fernkurs für Kinderliteratur an der „STUBE Wien“ war wegweisend. Glückliche Begegnungen bei Seminaren im „Kinderbuchhaus im Schneiderhäusl“ inspirierten zu Bilderbuch-Stunden für Eltern-Kind-Gruppen, zu Literaturvermittlung für Vorschulkinder und zu Referententätigkeit für Kindergartenpädagogik. Aktuell rollt sie mit Eisenbahn oder Fahrrad die Donau entlang nach Linz, wo sie als Mitarbeiterin der Buchhandlung ALEX am Hauptplatz Bücher empfiehlt, die auf den zweiten Blick noch Überraschendes bereithalten. Mit ihrer Freundin vom Figurentheater [isipisi] teilt sie die Leidenschaft für das japanische Erzähltheater „Kamishibai“ und gibt Vorführungen in Bibliotheken, Kindergärten und Schulen. Fallweise tritt sie als Grille, rebellische Juliane oder sogar Meerjungfrau auf.

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 24.09.2019
  • Drucken