Aktuelle
Ausgabe:
Zeit
07-08/24

Stammzellenspende: Geringer Aufwand, der Leben retten kann

Stammzellenspende: Geringer Aufwand, der Leben retten kann
Foto: Geben Für Leben
Erik (21) aus Oberösterreich spendet seine Stammzellen an einen Mann aus Kanada.

In Österreich erkranken jährlich über 1.000 Menschen an einer Form von Leukämie. Eine Stammzellenspende kann lebensrettend sein. Dafür müssen die Gene zweier Menschen jedoch perfekt zusammenpassen – eine Wahrscheinlichkeit, die nur bei 1:500.000 liegt. So ist Erik aus Oberösterreich für einen Kanadier die einzige Chance zu überleben.

Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit zu helfen, erzählt der 21- jährige Student Erik. Seit er 18 Jahre alt ist, geht er regelmäßig zum Blutspenden. Das Krankenhaus befand sich direkt neben seiner Schule: „Da bin ich nach dem Unterricht oft schnell rüber. Der Aufwand ist gering, vor allem, wenn man bedenkt, was er Positives bewirken kann. Mir ist es immer logisch vorgekommen, dass man hilft, wenn man kann.“ Durch Zufall hat er 2022 die Typisierungsaktion in Eberstalzell, nahe seinem Wohnort, mitbekommen. Die Registrierung für die weltweite Datenbank erfolgt durch einen einfachen Wangenabstrich mit einem Wattestäbchen, der im Labor ausgewertet wird. Die Ergebnisse werden bis zum 61. Lebensjahr gespeichert. „Das Prozedere ist ähnlich unkompliziert wie beim Blutspenden“, erklärt er. Und doch ist es in Wahrheit ein großer Akt der Solidarität und Nächstenliebe, der Betroffenen Hoffnung und Zuversicht schenkt.

Foto: Geben Für Leben

Genetischer Zwilling

Zwei Jahre nach der Aktion läutete Eriks Handy. Im Dezember 2023 teilte man ihm mit, dass er als potenzieller Spender in Frage käme. „Ich habe nicht damit gerechnet“, erinnert er sich. „Ich dachte, das passiert, wenn überhaupt, vielleicht in 20 Jahren irgendwann.“ Für ihn war schnell klar, dass er seine Stammzellen auch tatsächlich entnehmen lässt: „Ich wurde sehr gut von ,Geben für Leben‘ aufgeklärt und hatte keine wirklichen Bedenken. Im Gegenteil: Es fühlt sich besonders an, wenn man weiß, dass man jemandem da draußen auf der Welt mit seiner Spende im besten Fall das Leben retten kann.“ Ein zwischenmenschlicher Jackpot, wenn man bedenkt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür bei 1:500.000 liegt.

Foto: Geben für Leben/Weissengruber & Partner
„Wir begleiten die SpenderInnen von Anfang bis Ende und garantieren ihnen eine höchstprofessionelle Betreuung.“
Katharina Palatzky

Hoffnung schenken

Katharina Palatzky vom Verein „Geben für Leben“ erklärt das weitere Verfahren: „Wir begleiten die SpenderInnen von Anfang bis Ende und garantieren ihnen eine höchstprofessionelle Betreuung. Bevor es zur Stammzellenentnahme kommt, durchlaufen die SpenderInnen einen großen Gesundheitscheck. Dabei wird bis ins kleinste Detail alles abgeklärt.“ Palatzky erinnert sich an einen Spender, bei dem durch diese Untersuchungen ein Melanom entdeckt wurde und erfolgreich behandelt werden konnte. „Da hat der Patient in Wahrheit dem Spender das Leben gerettet.“ Wenn alle Werte gut sind, bekommen die SpenderInnen ein Medikament namens Neupogen. Darin enthalten ist ein Botenstoff, den der Körper bei Infektionen selbst ausschüttet, um eine verstärkte Neubildung der Stammzellen anzuregen. Vier Tage lang injizieren sich die SpenderInnen dafür eine Spritze in die Bauchfalte. „Das ist weniger wild, als es sich vielleicht anhört“, so Erik. „Jo, mei“, lautet auch die Reaktion von den meisten anderen SpenderInnen, weiß Palatzky. „Was ist das schon, wenn man einem schwerkranken Menschen die Hoffnung aufs Überleben schenken kann?“

Am fünften Tag werden die SpenderInnen in 80 Prozent der Fälle an eine Zentrifuge angeschlossen, die das Blut in seine Bestandteile trennen kann. Dieser Vorgang dauert etwa drei bis fünf Stunden und wird ambulant durchgeführt, vergleichbar mit einer Dialyse. „Sehr unspektakulär“, resümiert Erik, „man ist nur ziemlich immobil und braucht Hilfe beim Trinken, weil man in beiden Armen Nadeln hat. Aber auch das lässt sich gut aushalten.“

Medizinische Routineeingriffe

Bei rund 20 Prozent wird eine Knochenmarkspende durchgeführt. Die Entnahme der Blutstammzellen erfolgt bei dieser Methode durch eine Punktion des Beckenkamms. Dieser Eingriff dauert ungefähr eine Stunde und erfolgt unter Vollnarkose. Die SpenderInnen können in der Regel am folgenden Tag die Klinik verlassen. „Die Blutstammzellen befinden sich im Knochenmark. Das Rückenmark im Wirbelkanal hat damit nichts zu tun und wird somit niemals angetastet! Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis“, betont Palatzky und kann bei möglichen Bedenken beruhigen: „Beide Behandlungen sind medizinische Routineeingriffe. Natürlich bleibt immer ein gewisses Restrisiko wie bei jeder medizinischen Intervention, darüber klären wir auch immer penibel auf. Wir haben über die Jahre aber viele Erfahrungswerte gesammelt und bisher keine negativen Erfahrungen gemacht.“ Auch Erik hatte im Nachhinein mit keinen großen Problemen zu kämpfen: „Einen Tag vor dem Eingriff hatte ich ein bisschen Kopfweh, ein, zwei Tage danach leichte Konzentrationsschwierigkeiten. Ich bin Schachspieler und da ist mir aufgefallen, dass ich nicht ganz so fokussiert war wie sonst. Abgesehen davon ging es mir aber sehr gut.“

Vorerst erfährt Erik nicht, wer seine Stammzellen bekommt. „Ich weiß nur, dass es ein männlicher Kanadier mittleren Alters ist. Und dass meine Spende nicht mal 24 Stunden später bei ihm angekommen ist.“ Nach zwei Jahren besteht die Möglichkeit, einander kennenzulernen, wenn beide Seiten das möchten. Zuvor können, koordiniert durch „Geben für Leben“, anonyme Briefe ausgetauscht werden. Erik würde sich über ein persönliches Treffen definitiv freuen: „Das wäre bestimmt eine großartige Erfahrung.“

8 wichtige Fakten zur Stammzellenspende

  • In Österreich erkranken durchschnittlich drei Menschen pro Tag an Leukämie, darunter viele Kinder.
  • Pro Jahr sind in Österreich über 300 vorwiegend an Leukämie erkrankte PatientInnen auf die Spende von passenden Stammzellen angewiesen.
  • Für rund zehn Prozent können keine SpenderInnen mit kompatiblen genetischen HLA-Merkmalen gefunden werden.
  • In Österreich sind rund 285.000 Menschen, also etwa drei Prozent der Bevölkerung, typisiert.
  • Für LeukämiepatientInnen besteht nach einer Stammzelltransplantation im Schnitt eine Heilungschance von bis zu 70 bis 90 Prozent, individuell abhängig von der jeweiligen Situation der betroffenen Person.
  • Für eine Typisierung geeignet sind alle Menschen zwischen 17 und 45 Jahren, die an keinen schwerwiegenden oder chronischen Erkrankungen leiden und über 50 Kilogramm Körpergewicht haben.
  • Die Typisierung erfolgt durch einen unkomplizierten Wangenabstrich mit einem Wattestäbchen, der im Labor ausgewertet wird. Als SpenderIn bleibt man bis zum 61. Geburtstag in der weltweiten Datenbank gespeichert.
  • Der Abstrich kann entweder zu Hause mit einem Typisierungsset, das per Post zugesandt wird, oder im Rahmen der zahlreichen Typisierungsaktionen in ganz Österreich durchgeführt werden.

Zum Verein

„Geben für Leben“ ist ein gemeinnütziger Verein mit der Mission, lebensrettende StammzellenspenderInnen für Menschen mit Leukämie oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen zu finden. Wer auch LebensretterIn werden möchte, kann sich unter gebenfuerleben.at als StammzellenspenderIn registrieren lassen oder den Verein mit einer Geldspende unterstützen.

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 31.05.2024
  • Drucken