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Kinderbuch: Souverän-gelassene Heldin

Kinderbuch: Souverän-gelassene Heldin

Kinderbuchempfehlung: Super-Laura von Håkon Øvreås für alle ab 9 Jahren

Ausgerechnet der Sohn des Pastors! Bereits in der ersten Geschichte war er einer der Übeltäter und immer noch benimmt er sich eklatant daneben: Quält Frau Wangs wehrlose Katze, kickt Lauras Rucksack, die gegen die Schikane Einspruch erhebt, gnadenlos in den Schlamm – unmöglich, ein richtiger „Pfosten“, würde mein Sohn sagen. Höchste Zeit für das Superhelden-Trio Bruno, Matze und Laura, auf bereits bewährte Art friedlich aber bestimmt einzuschreiten.
Ihre Waffen sind Pinsel und Farbe, ihre Absichten löblich. Sie verwandeln sich in Brauno, Schwarzke und Blaura. Sie verteidigen sich und ihre Freiheit, gebieten Destruktivem Einhalt und setzten klare Zeichen gegen Ungerechtigkeit.

Dass Laura im Zentrum des krönenden Abschlusses der Trilogie steht, ist logisch und sorgt für Ausgleich. Endlich hat sich der Fokus auf die bisher stille Heldin der Dreierbande gerichtet. Håkon Øvreås hat sich herangezoomt an die Figur, die wahre Größe besitzt und mutig selbst vor öffentlicher Blamage nicht zurückschreckt.
Zu Beginn ist Bruno, dann Matze im Mittelpunkt der Episoden gestanden. Ganz nah an deren Alltag und Familien ist erzählt worden, und doch war es von Anfang an Laura, die in ihrer ruhigen aber festen Art den Ton angegeben und die Richtung bestimmt hat. Sie hat durchwegs besonnen reagiert, Bruno Zuflucht gewährt in der ersten Geschichte, erst einmal die Panik abklingen lassen. Sie war bereits Strategin in der zweiten, was sich in der dritten weiter manifestiert.
Wieder verteidigen die drei das Terrain ihrer Hütte, Symbol für eine selbstbestimmte Zukunft. Dort soll eine Hühnerfarm errichtet werden. Laura hat bei ihrem Kampf die Mutter auf ihrer Seite, die ihr Geborgenheit und Rückhalt gibt.

Aber tatkräftige Unterstützung erhält Laura von den Eltern nicht. Sie schafft das alleine. Das Instrument der Unterschriftenliste funktioniert nicht, andere Mittel sind gefragt. Letztlich ist es die Enthüllung von „Nepotismus“, wir in Österreich würden „Freunderlwirtschaft“ sagen, die den Bau verhindern wird. Laura fungiert als Aufdeckerin, Whistel-Blowerin, der Machenschaften des korrupten Bürgermeisters. Überhaupt liest sich der Band wie eine Einführung in Basisdemokratie. Die Nachbarin Frau Wang berichtet vom erfolglosen Kampf gegen Staatsgewalt während des Protestes gegen den Bau des Staudamms am Jangtse. Mehrheitliche Entscheidungsfindung spiegelt sich auch in Lauras Familie: Der Vater wird plötzlich arbeitslos, Unruhe macht sich breit. Die große Schwester ist sowieso heftig am Pubertieren und von Vornherein gegen alles. Für das „Familienoberhaupt“ ist klar, was zu geschehen hat, als er ein Jobangebot im Norden des Landes bekommt. „Ich habe entscheiden, dass wir umziehen, also ziehen wir um.“ Doch die Mutter spricht ein Machtwort. „Auch hier gibt es freie Arbeitsstellen. (…) Unser Haus ist hier, das ist unsere Stadt und hier sind alle unsere Freunde. Wir bleiben hier.“ Wohltuend, eine Mutter so entschieden auftreten zu sehen. Schließlich will sie auch die neue Bürgermeisterin werden …
Natürlich wirkt es gegen Ende ein wenig dick aufgetragen, die Ministerpräsidentin höchstpersönlich taucht auf und rettet mit ihrem Applaus Laura aus der heiklen Situation, die in eine öffentliche Demütigung zu kippen droht. Doch für das fulminante Finale einer Trilogie passt das genau!

Was die drei Bände – auch für Eltern – so lesenswert macht, ist einerseits der Realismus: Die Erwachsenen sind ihren eigenen Problemen ausgesetzt, mit eigenen Anforderungen vollauf beschäftigt. Da wird nichts „kindgerecht“ abgeschwächt, sondern bricht ungeschönt in den Alltag ein. Der erste Band startet mit den Worten „An dem Tag, als Großvater starb, musste Bruno bei Tante Ingela bleiben, während Mama und Papa im Krankenhaus waren.“ Bruno ist derweil Angriffen älterer Buben ausgesetzt, die Hütte der Freunde im Wald ist in Gefahr. Im zweiten Band wird klar, warum Matze ein wenig vernachlässigt wirkt: Seine Mutter sitzt im Rollstuhl, und der Vater hängt dem Jugendtraum einer Karriere als Mitglied der Garagenband nach. Die Arbeitslosigkeit von Lauras Vater im dritten Band thematisiert verschiedene Berufe und Formen der Erwerbstätigkeit.

Andererseits faszinieren die Zeichnungen von Øyvind Torseter in ihrer Aussagekraft bei gleichzeitigem Charme, zauberhaft-verspielt und kraftvoll-stark, eine seltene Kombination! Dazu sind die Bilder noch klar informativ den Textgehalt ergänzend, wenn es beispielsweise darum geht, die konkreten Tätigkeiten der jeweiligen Väterberufe zu illustrieren. Sie komplettieren die Erzählung so harmonisch, wie es für Lesestoff dieser Altersgruppe ideal ist. Im Format sind die drei Bände in den Grundfarben Blau-Gelb-Rot so sympathisch klein wie Taschenbücher, mit festem Einband aus angenehmem Papier: Man nimmt sie einfach gern in die Hand.

Traumhaft auch die Ebene des Übersinnlichen, des Mystischen: im ersten Band sitzt plötzlich der bereits verstorbene Großvater im Wald und gibt Bruno neben Trost den entscheidenden Hinweis auf die Farbtöpfe im Keller, der Grundstein für ihre friedliche Verteidigungsstrategie. Im Abschlussband tauchen die von Frau Wang und Laura gefalteten Papierkraniche als lebendiger farbenfroher Vogelschwarm auf und versetzten die Ministerpräsidentin in Staunen. Die Grenzen des Möglichen sind gesprengt. Die guten Mächte sind eindeutig auf der Seite der friedvollen Kämpfer*innen. Auf in eine phantastische Zukunft!

Håkon Øvreås (Text) und Øyvind Torseter (Bild):
Super-Laura
Aus dem Norwegischen von Angelika Kutsch
Hanser 2018
Ab 9 Jahren

Veronika Mayer-Miedl

wurde 1971 geboren, ist Buchhändlerin, Mutter von 3 Kindern und lebt in Ottensheim, wo sie 17 Jahre im Kleinen Buchladen tätig war. Ein Fernkurs für Kinderliteratur an der „STUBE Wien“ war wegweisend. Glückliche Begegnungen bei Seminaren im „Kinderbuchhaus im Schneiderhäusl“ inspirierten zu Bilderbuch-Stunden für Eltern-Kind-Gruppen, zu Literaturvermittlung für Vorschulkinder und zu Referententätigkeit für Kindergartenpädagogik. Aktuell rollt sie mit Eisenbahn oder Fahrrad die Donau entlang nach Linz, wo sie als Mitarbeiterin der Buchhandlung ALEX am Hauptplatz Bücher empfiehlt, die auf den zweiten Blick noch Überraschendes bereithalten. Mit ihrer Freundin vom Figurentheater [isipisi] teilt sie die Leidenschaft für das japanische Erzähltheater „Kamishibai“ und gibt Vorführungen in Bibliotheken, Kindergärten und Schulen. Fallweise tritt sie als Grille, rebellische Juliane oder sogar Meerjungfrau auf.

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  • Veröffentlicht: 29.10.2018
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