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Rosalind Franklin: Die Mutter der DNA

Rosalind Franklin: Die Mutter der DNA

Die britische Forscherin Rosalind Franklin entdeckte, dass die DNA die Form einer Doppelhelix hat. Doch der Nobelpreis für diese Entdeckung ging an die Forscher Watson und Crick, die Franklins Untersuchungsergebnisse heimlich eingesehen hatten. Die Geschichte der „Dark Lady of DNA“.

Es ist ein körniges Bild, auf dem nur weiße, graue und schwarze Flecken zu sehen sind. Doch Rosalind Franklin kneift die Augen zusammen und beugt sich tiefer über ihr Foto 51, eine von vielen Röntgenaufnahmen von DNA, die sie in den letzten Monaten gemacht hat. Über die Struktur der DNA wird gerade vielerorts gerätselt, aber an diesem Februartag in London sieht Rosalind Franklin etwas ganz deutlich: Eine Doppelhelix, die ihr schwarz auf grau entgegenleuchtet.

Rosalind Franklin wird 1920 in London als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Schon als Kind begeistert sie sich für Naturwissenschaften und löst aus Spaß Rechenaufgaben. Ihre Eltern erkennen Rosalinds Talent und schicken sie auf eine renommierte Mädchenschule, die für ihren hervorragenden naturwissenschaftlichen Unterricht bekannt ist. Die Schülerinnen werden dort nicht nur auf die Ehe, sondern auch auf erfolgreiche Karrieren vorbereitet. Im England der Zwischenkriegszeit ist das ungewöhnlich, aber das ist Rosalind auch. Mit fünfzehn Jahren beschließt sie, Wissenschafterin zu werden.

Zwei Jahre später bewirbt sie sich um einen Studienplatz in Cambridge. Zu Rosalinds Studienzeit werden Frauen in der akademischen Welt benachteiligt: In Cambridge dürfen sie nur eigene Frauencolleges besuchen und werden Schülerinnen statt Studentinnen genannt. Rosalind lässt sich davon nicht beirren. Sie besteht die Aufnahmeprüfung in Chemie als Beste und studiert anschließend Naturwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Kristallographie und physikalischer Chemie. Mit Kriegsende schließt Rosalind ihren Doktor in physikalischer Chemie ab und geht nach Paris, wo sie Expertin für Kristallstrukturanalyse wird. Dort ist sie glücklich und hat Kollegen, die sie als ebenbürtig ansehen.

Das ändert sich, als sie 1950 nach England zurückkehrt. In der wissenschaftlichen Welt herrscht damals ein Wettlauf darum, die DNA zu enträtseln. Die Entschlüsselung ihrer Struktur scheint kurz bevorzustehen, und in verschiedenen Laboren wird intensiv daran geforscht. Das Londoner King’s College besitzt eine außergewöhnlich reine DNA-Probe, die Rosalind nun mithilfe von Röntgenstrahlung untersuchen soll. Die Aufgabe ist so spannend, dass sie dafür ihr geliebtes Paris verlässt.

Doch bald nach ihrer Ankunft stellt sie fest, dass Maurice Wilkins, der stellvertretende Leiter des Labors, sie für seine Assistentin hält. Erst nach Monaten klärt ihr Vorgesetzter das Missverständnis, doch da ist es bereits zu spät. Rosalind und Wilkins sprechen nicht mehr miteinander. Stattdessen vertieft sich Rosalind in ihre Forschung. Sie entdeckt, dass es von DNA-Molekülen zwei Formen mit unterschiedlichem Wassergehalt gibt, und schafft es, von beiden Formen hochwertige Bilder aufzunehmen. So erkennt sie, dass die DNA die Form einer Helix hat.

Zur selben Zeit ahnen auch James Watson und Francis Crick, zwei junge Forscher an der Universität Cambridge, dass sie sich auf dem Feld der DNA einen Namen machen könnten. Nachdem sie einen Vortrag von Rosalind besucht haben, erstellen sie ein erstes, fehlerhaftes DNA-Modell. Doch Maurice Wilkins, der Rosalind für seine Assistentin hielt, kopiert schon länger heimlich ihre Unterlagen. Nun zeigt er Watson und Crick ihr „Foto 51“. Es ist der entscheidende Beleg für die Existenz der Doppelhelix.

Und Rosalind wird ein zweites Mal hintergangen: Sie schreibt einen Bericht über ihre Erkenntnisse und reicht ihn bei einem Komitee zur Begutachtung ein, bevor er veröffentlicht wird. Ein Mitglied dieses Komitees gibt den Bericht an Watson und Crick weiter. Es ist der letzte Baustein, den die Beiden für ihr Modell brauchen. Sie ziehen aus Rosalinds Arbeit die richtigen Schlüsse und veröffentlichen diese 1953 im Journal „Nature“. In der gleichen Ausgabe erscheint auch Rosalinds Artikel – nach dem von Watson und Crick. So wird er als Bestätigung anstatt als Inspiration für ihre Ideen wahrgenommen.

Erst Jahre später gesteht James Watson in seinem Buch „Die Doppelhelix“ ein, wie sehr er von Rosalinds Arbeit profitiert hatte. Trotzdem nennt er sie im selben Buch durchgängig „Rosy“ und schreibt über ihr Aussehen anstatt über ihre Arbeit. Über seinen Besuch von Rosalinds Vortrag, der sein erstes DNA-Modell inspirierte, schreibt er bloß: „Einen Augenblick überlegte ich, wie sie wohl aussehen würde, wenn sie ihre Brille abnähme und irgendetwas Neues mit ihrem Haar versuchte.“

Von all dem bekommt Rosalind Franklin nichts mehr mit. Sie verlässt das King’s College und arbeitet nie wieder mit DNA. Stattdessen forscht sie an einer anderen Universität, wo sie sich wohlfühlt und geschätzt wird. Zu Watson und Crick hat sie kollegialen Kontakt. Im Herbst 1956 wird bei ihr Eierstockkrebs diagnostiziert, an dem sie im Alter von nur 37 Jahren verstirbt. Vier Jahre später erhalten Watson und Crick den Nobelpreis für die Entdeckung der DNA-Struktur. In ihrer Dankesrede erwähnen sie Rosalind Franklin mit keinem Wort.

Ricarda OpisRicarda Opis

wurde 1996 in Graz geboren und studierte ebendort Journalismus und Public Relations (PR). Sie erzählt am liebsten die Geschichten von Frauen und Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Für diese Serie verbindet sie ihre beiden größten Leidenschaften, indem sie die Geschichten großer Frauen nicht nur erzählt, sondern auch bebildert. Wenn sie nicht gerade schreibt oder zeichnet, begeistert sie sich für alles, was sonst noch kreativ ist, und die Geschichte, Kulturen und Politik des Nahen Ostens.

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  • Veröffentlicht: 15.01.2020
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