Er war Mönch, sie Nonne. Heute sind Ulrich und Beate Heinen verheiratet. Dass die Liebe siegt, war aber nicht immer klar. Die inspirierende Geschichte einer späten Liebe.
Als er an jenem kalten Novembertag an der Tür klingelte, wusste er nicht, dass dieser Tag sein Leben verändern würde. Damals hieß er noch Bruder Ulrich, aber als er Beate Heinen in ihrem Atelier in Wassenach in der Eifel besuchte, merkte er sofort, dass etwas in Schwingung geriet. Der Anlass für das Zusammentreffen war dienstlicher Natur. Der Franziskaner wollte die Künstlerin zu einer Podiumsdiskussion in sein Kloster einladen. Es sollte nicht bei dieser einen Begegnung bleiben. Insgesamt brauchte es zehn Jahre, viele Briefe und eine gemeinsame Kunsttherapie-Ausbildung, bis Bruder Ulrich die Entscheidung traf, den Orden zu verlassen. Nach 40 Ordensjahren. Aus Liebe zu Beate. Eine ähnliche Entscheidung hatte Beate Heinen bereits 35 Jahre zuvor getroffen. Aus Liebe zur Kunst war sie, damals junge Nonne, kurz vor der Ewigen Profess aus dem Benediktinerinnenorden ausgeschieden. Ich treffe Beate und Ulrich Heinen – inzwischen verheiratet – anlässlich ihrer Buchvorstellung „Wenn Nonne & Mönch die Liebe finden“ in Graz.
Sie sind seit Kurzem verheiratet. Warum war Ihnen die kirchliche Trauung ein Bedürfnis?
Ulrich Heinen: Ich war gerade sieben Monate bei Beate, als sie einen schweren Schicksalsschlag innerhalb der Familie erlitt. Dies führte bei Beate zu einer Sprachhemmung (er schaut sie an und nimmt ihre Hand). Drei Monate später haben wir standesamtlich geheiratet, um der Unsicherheit des Lebens ein Stück Verbindlichkeit und Sicherheit zu geben. Es war auch immer klar, dass wir kirchlich heiraten wollen, aber dann kam die Coronapandemie dazwischen. Ich war kein geweihter Priester, sonst wäre die kirchliche Trauung nicht möglich gewesen. Im Juli haben wir in der Krypta von Maria Laach – Beate hatte dort viele künstlerische Aufträge – im Familienkreis geheiratet.
Herr Heinen, Ihre Frau wird 80 und ist noch künstlerisch tätig. Sie sind mit 68 Jahren ebenfalls noch berufstätig …
Ulrich: Ja, ich bin als Kunsttherapeut in einer psychiatrischen Klinik tätig, und gemeinsam schreiben Beate und ich in einer überregionalen Tageszeitung eine Kolumne mit Bild und Sinnspruch. Sieben Monate nach meinem Austritt aus dem Kloster wurde mir die Stelle als Kunsttherapeut angeboten, und ich bin sehr froh darüber. Durch meinen Beruf bin ich finanziell abgesichert. Die Pension allein würde für den Lebensunterhalt nicht reichen. Wenn man im Kloster war, ist die Altersvorsorge leider minimal.
Der Altersunterschied zwischen Ihnen beträgt elf Jahre. Hat das für Sie je eine Rolle gespielt?
Ulrich: Die Frage taucht schon öfter auf: Wer von uns wird einmal alleine sein? Der Trauungssatz „bis dass der Tod euch scheidet“ hat bei uns, da wir in einer späteren Lebensphase angekommen sind, noch mehr Bedeutung als für junge Brautpaare. Unsere Ehe ist angesichts unseres Alters begrenzt. Unser Zugang ist aber, die Zeit im Hier und Jetzt sehr bewusst zu erleben und zu nutzen.
Beate Heinen: Die einzige Angst, die ich habe, ist, dass du vor mir stirbst.
Ulrich: Ich habe auch Angst, dich zurückzulassen. Wir haben das getan, was möglich ist, wir haben ein Testament gemacht und alles geregelt.
Frau Heinen, Sie waren bereits 65, als Sie Bruder Ulrich kennenlernten. Sie schreiben, dass Sie von Anfang an wussten, dass „Uli die Liebe Ihres Lebens ist“. Woher nahmen Sie diese Gewissheit?
Beate: Als ich Uli kennenlernte, war ich noch stark im Trauerprozess nach dem Tod meiner Mutter und hatte mit Männern abgeschlossen. Ich hatte bereits eine erwachsene Tochter, die ich alleine großgezogen hatte, und dachte, dass mein Leben nun ein wenig zur Ruhe kommt. Und dann kam Uli. Nach unserer ersten Begegnung war ich wie benommen, es herrschte rasch eine große Vertrautheit zwischen uns.
Ulrich: Es war spannend, eine gemeinsame Spur zu entdecken. Neben dem Spirituellen verbindet uns auch die große Liebe zur Kunst – ich bin ebenfalls künstlerisch tätig. Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiedlichkeiten.
Zum Beispiel?
Ulrich: Beate hat in ihrem Atelier eine geordnete Unordnung – darin unterscheiden wir uns. Ich bin auch puritanischer als Beate.
Beate: Es ist schwierig, Uli zu überzeugen, dass er ein neues Hemd braucht.
Wie unterscheidet sich die junge Liebe von der Liebe im reifen Alter? Herr Heinen, Sie hatten eine feste Freundin, als Sie sich mit 22 Jahren für das Klosterleben entschieden.
Ulrich: Ich denke, es ist eine Frage der Reife. Für meine Freundin und mich war damals nicht der richtige Zeitpunkt. Ich war auf der Suche: Was läuft im Leben? Ich arbeitete als Glasmaler, träumte davon, Kunst zu studieren und wollte das auch mit dem spirituellen Anteil in mir verbinden. Aus dieser Gesamtsituation heraus – dazu kam noch der Tod meines Bruders – spürte ich eine Fluchtbewegung in mir, das alte Leben hinter mir zu lassen und in eine andere Welt einzutauchen. Als viel später du, Beate, in mein Leben getreten bist, geriet etwas in mir zum Klingen – etwas, das ich bisher noch nie verspürt hatte. Du hast mich als den Menschen wahrgenommen, der ich bin. Das hatte ich noch nie auf diese Weise erlebt.
Beate: Ich hatte nie längere Zeit mit einem Mann zusammengelebt. Uli ist wie das fehlende Puzzleteil, das sich einfügt in mein Leben.
Ulrich: Ich denke, das eine perfekte Puzzleteil wird es nie geben, dieser Suchprozess wird immer ein wenig bleiben. Das Bild wächst ja weiter. Jetzt malen wir es zusammen.
Frau Heinen, Sie haben zehn Jahren auf Ulrich „gewartet“. Wie haben Sie so lange durchgehalten?
Beate: Die Zeit mit Uli war das Kostbarste, was ich hatte. Ich wollte das nicht aufs Spiel setzen. Mit der Zeit wurde es aber immer schwieriger, das Hin und Her war nicht mehr auszuhalten. Ich nahm auch psychotherapeutische Begleitung in Anspruch.
Ulrich: Beate hatte eine Engelsgeduld mit mir! Aber ich brauchte diese Zeit für mich. Ich spürte auch meine Verantwortung dem Orden gegenüber, 18 Jahre lang war ich Generaloberer gewesen. Dann stand die Neuwahl an, und mir war klar, dass ich mich positionieren musste. Ich bin es gewohnt, nie etwas unbedacht zu tun. Also zog ich vorerst ein Jahr lang in ein anderes Kloster unserer Gemeinschaft um. Im „Haus der Stille“ fand ich während einer zweimonatigen Auszeit die nötige emotionale Klarheit.
Frau Heinen, Ihre Entscheidung, im Alter von 33 Jahren das Kloster zu verlassen, um Künstlerin zu werden, trafen Sie sehr schnell.
Beate: Ich bin von einem Tag auf den anderen bei Wind und Wetter abgehaut, nur mit einer Tasche in der Hand. Eine Bekannte hatte mir alte Jeans und einen Pulli besorgt. Ich konnte bei der Familie einer Mitschwester unterkommen, da ich auf keinen Fall zu meinen Eltern zurückwollte.
Woher nahmen Sie den Mut für diesen Schritt ins Ungewisse?
Beate: Im Kloster konnte ich zwar künstlerisch tätig sein, spürte aber immer diese Enge. Ich hatte auch einen geistlichen Begleiter, der mich ermutigte, mich als freischaffende Künstlerin selbstständig zu machen. Allerdings brauchte es seine Zeit, um im Kunstumfeld Anschluss zu finden.
Wie frei fühlen Sie sich jetzt, wenn Sie mit jemandem zusammenleben?
Beate: Früher hätte ich wohl stärker meine eigenen Wünsche formuliert. Jetzt spüre ich, dass es auch entlastend ist, wenn jemand da ist, der mir Entscheidungen abnimmt. Uli ist wie eine Stütze, ein Halt.
Was hat Sie angeregt, ein Buch über Ihr gemeinsames Leben zu schreiben?
Ulrich: Wir wurden immer wieder angesprochen: „Das ist eine interessante Geschichte, die ihr beiden erlebt habt.“ Darüber hinaus wollen wir andere Menschen ermutigen: Schau auf dein Leben, leg nicht alles fest, bleib offen! Es gibt Situationen, die du nicht dreimal erlebst.
Glauben Sie, dass es Gottes Fügung war, dass Sie einander kennengelernt haben?
Beate: Ja.
Ulrich: Ja, zutiefst. Für mich ist es auch ein großes Geschenk, dass ich durch meine Heirat mit Beate ganz unverhofft zum dreimaligen Opa geworden bin.
Herr Heinen, Sie haben den Nachnamen Ihrer Frau angenommen. Weshalb haben Sie sich dafür entschieden?
Ulrich: Mein Familienname war Schmitz. Ich war allerdings nie der Herr Schmitz, sondern immer der Uli oder Bruder Ulrich. Dann wurde ich auf einmal Herr Schmitz, daran musste ich mich erst gewöhnen. Beate Heinen ist eine Marke. Es war klar, dass sie ihren Namen behält, und mir fiel es nicht schwer, ihren Namen anzunehmen. Beates Tochter sagte auch: „Nimm unseren Namen an, du gehörst zu uns.“ Der Name Heinen ist für mich auch ein Zeichen, wie sehr ich zu Beates Familie gehöre.
Welche Rituale haben Sie aus dem Kloster in Ihr neues gemeinsames Leben mitgenommen?
Ulrich: Wir beginnen den Tag mit einem Gebet.
Beate: Und ich mache Uli ein Kreuzzeichen auf die Stirn.
Ulrich: Wir halten auch öfter mit frei formulierten Gedanken inne und sagen: „Herr, wir stehen unter deinem Schutz, und wir wollen auch Menschen, die zu uns gehören, Schutz bieten.“ Menschen, die in Beates Atelier kommen, sprechen öfter vom „guten Geist“, der dort erfahrbar ist.
Was ist Ihrer Meinung nach eine wichtige Beziehungsgrundlage für eine Partnerschaft?
Ulrich: Sich in die Toleranz hineinzubegeben. Toleranz hat mit Liebe zu tun, es ist kein Dulden. Es geht nicht um ein Bewerten, sondern um ein Zulassen in guter Weise. Es gilt, die persönlichen Anteile wertzuschätzen, sie zu achten, aber auch die gemeinsamen Anteile zu pflegen.
Sie haben bereits mehrere Verlusterfahrungen und Krankheit erlebt. Was trägt Sie in Krisen?
Ulrich: Zum einen sind das die Menschen um mich herum, die das Schwere mittragen, ohne sich aufzudrängen. Zum anderen ist das die spirituelle Dimension und das Wissen: Die Dimension Zeit wird irgendwann nicht mehr da sein. Darauf zu vertrauen, gibt mir Hoffnung.
Was denken Sie über den Tod?
Ulrich: Ich war einmal schwer erkrankt und wusste nicht, wie es ausgehen wird. Ich habe die Zuversicht, dass ich in eine Wirklichkeit geführt werde, die endlos gut ist. Ich denke gerne an Dorothee Sölles Worte: „Am Ende meines Lebens stehen nicht viele Fragen, sondern eine einzige Umarmung.“ Das ist ein Bild, das ich mit dem Tod verbinde. Im Kloster ist der Tod stets präsent, die Endlichkeit des Lebens wird auch in den Texten stark thematisiert, letztlich ist das befreiend.
Beate: Seit einer Nahtoderfahrung vor sieben Jahren habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Ich war im Garten unterwegs, als ich im Gewächshaus zusammenbrach. Auf einmal standen meine verstorbenen Familienmitglieder in Weiß gekleidet um mich herum. Sie fragten, ob ich weiterleben oder zu ihnen kommen möchte. Dann sah ich Uli und viele Menschen, die zu meinem Leben gehören, und ich entschied mich weiterzuleben. In der Notaufnahme diagnostizierte die Ärztin einen leichten Schlaganfall.
Was haben Sie noch vor?
Ulrich: Wir planen für nächstes Jahr zu Beates 80. Geburtstag eine Jubiläumsausstellung mit ihren Werken, und wir haben vor, eine Stiftung zu gründen, um diesen Schatz weiterhin für die Menschen sichtbar und erfahrbar zu machen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ulrich: Dass wir möglichst lange beisammen bleiben.
Beate: Ja, das wünschen wir uns.
Ulrich: Bis heute war alles so reich und schön. Alles, was jetzt kommt, ist Zugabe.
Weitere Infos
Buchtipp: Beate und Ulrich Heinen mit Heidi Friedrich:
Wenn Nonne und Mönch die Liebe finden. Bonifatius Verlag 2023.
