Nichts ist schwieriger als das Ausharren auf unbestimmte Zeit. Drei Lösungen und ein Bekenntnis.
Tja, Ostern … das hätten wir uns anders vorgestellt – draußen lebt die Natur auf, aber wir sitzen drinnen und sollen auch die fernere Familie nicht sehen. Es fühlt sich an wie gefangen, nicht nur im Raum, sondern in einer Situation. Auf gewisse Weise ist das österlich. Die Apostel und die frühen Christen lebten nach der Kunde von der Auferstehung Jesu in der „Naherwartung“ – bald, dachten sie, sehr bald und noch zu ihren Lebzeiten werde der Messias wiederkehren.
So ein bisschen wie „Naherwartung“ hörte sich das anfangs auch an, als alle von „nach Corona“ sprachen – im Unterschied zu den Frühchristen wollten wir allerdings nicht, dass sich alles ändert, sondern dass „nach Corona“, „nach den Maßnahmen“ möglichst vieles wieder so sein wird wie vorher.
Inzwischen wissen wir, dass das erlösende „Danach“ so schnell nicht kommt, und der Weg bis dahin kann ziemlich lange, scheinbar ewig dauern. Nichts ist schwieriger als das: Ausharren in einer unguten Situation, Warten auf unbestimmte Zeit. Es gibt nur zwei Möglichkeiten dies durchzustehen, ohne bitter zu werden: 1. radikal nicht ans Warten denken und so tun, als sei alles ganz normal oder 2. radikal nur ans Warten denken und die tollsten Pläne schmieden für die Zeit danach.
Als dritten und weisesten Weg könnte man die Einsicht nennen, dass die Zeit des „Danach“ schon angebrochen ist – unmerklich ist der erwartete Zustand schon im Jetzt enthalten. Ohne großes Ereignis. Auch das ist ein messianischer Gedanke oder ein buddhistischer. Alles ist jetzt schon da; es hat keinen Zweck auf ein unbestimmtes Später zu setzen. Meine Freundin sagt überdies, die ganze Beschäftigung mit Buddhismus habe bei mir überhaupt nicht gefruchtet, ich sei der reinste Unruheherd. Recht hat sie, jeden Tag schimpfe ich. Aber immerhin: Ich versuche mein Bestes.
Andrea Roedig
liebt das Hinausgehen ins Freie – zu Fuß und im Kopf. Wohnstatus: ohne Garten, ohne Terrasse. Aber die beiden Sitzkissen am Fußboden vor dem Fenster heißen „Balkon“ – immerhin. Sprache kann die Welt verändern.
Foto: Alexandra Grill