Wer über sich selbst nachdenkt, hat es ja nicht immer leicht. Da lernt man sich wirklich gut kennen, da fallen einem viele, sehr viele, kleine Geschichten von früher ein. Die Gefühle packen einen, man lächelt, wehmütig, fröhlich oder auch schelmisch, ja, da war was, vor sehr vielen Jahren. Wenn wir Glück haben, finden wir Menschen, die Interesse an diesen Geschichten haben, sie mit uns teilen und damit festhalten, real werden lassen.
„Wir sind alle Geschichtenerzähler. Vielleicht macht uns das zu Menschen. Vielleicht haben wir auch nur keine Ahnung, welch großartige Geschichtenerzähler Katzen oder Dromedare sind.“
Wer sich also schreibend erforscht, wer also dabei ist, sich selbst auf die Spur zu kommen, gelangt zu Gerüchen, zu Tönen, zu inneren Bildern. Doris Dörrie begreift diese Welt ins sich als Quelle, ja, da ginge sich ein Fortsetzungsroman locker aus.
Inspirationsquellen findet Dörrie auch in den Einkaufslisten, die doch so häufig in Einkaufswägen liegen:
„„Blumen rot, Pril groß, Erbsen tiefkühl, Q-tip“ – Fast schon ein Gedicht. Durch Wörter entstehen Bilder: die roten Tulpen, schon weit aufgeblüht, die tiefgrüne Flasche Pril, die kühle Packung Erbsen, an die sich die Tulpen voller Sehnsucht nach ein bisschen Frische schmiegen, die schneeweißen Q-tips.“
Q-tips ist eine Markenbezeichnung, es sind Wattestäbchen, habe ich gleich beim Lesen gegoogelt. Ach so, Sie wissen sowas!
Dörrie zeichnet da keine flaumige, heile Welt, sie richtet den Blick auf das Schöne und schaut nicht weg, wenn es dann direkt zu Sucht, Krankheit, Tod geht. Sie schildert immer wieder Szenen mit einer besten Freundin, wild, mit unbändiger Lebensfreude, trinkfest, süchtig, erkrankt, verzweifelt. Eine ehrliche Einladung zum Schreiben, Inhaltsverzeichnis sowie Stichwortverzeichnis am Ende des Buches bringen uns dazu, die eigene Lesespur zu legen, die vielleicht ja dann ein Schreibfluss wird.
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen: Freude am Lesen und Schreiben, wunderbare Schreibimpulse, Einblicke in das Werk von Doris Dörrie, Impulse, sofort mit dem Lesen und Schreiben zu beginnen und nie mehr aufzuhören, Blick auf Details, Schärfung der eigenen Wahrnehmung
Die Autorin Doris Dörrie, in Hamburg geboren, hat Theater und Schauspiel in Kalifornien und New York studiert, bekannte Regisseurin und Autorin – Romane, Kinderbücher, Kurzgeschichten, sie unterrichtet an der Filmhochschule München Creative Writing und gibt regelmäßig Schreibworkshops
Doris Dörrie:
Leben, schreiben, atmen
Eine Einladung zum Schreiben.
Diogenes 2019.
288 Seiten.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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