Aktuelle
Ausgabe:
Nahrung
09/24

Schönheitsoperationen: Wann ist Frau schön genug?

Schönheitsoperationen: Wann ist Frau schön genug?

300.000 Frauen alleine in Frankreich, Tausende in Österreich: Der Skandal um schadhafte Implantate zeigte, wie viele das unechte Busenwunder suchen. Was treibt Frauen dazu? Nur die GeschäftemacherInnen?

Als Kind habe ich an der Figur meiner Großmutter immer jenen Punkt gesucht, wo der Busen in den Bauch überging. Mir schien er in jener schmalen Falte zu liegen, die von dem Band ihres Arbeitsschurzes gezeichnet wurde. Ansonsten war die Rundung vom Hals bis zu den Knien ganz homogen. Keine spitzen Brüste, keine Taille, aber einiges an Kuschelfakor. Meine Oma trug nie einen BH, dafür lange Unterhosen und etliche Unterröcke. Das Altern trug sie mit Fassung, und ihr echter Schönheitswettbewerb war, dass Kinder und Enkel leidlich gelungen und redliche BürgerInnen geworden waren. Mit meiner Großmutter ist auch diese Haltung gestorben.

So richtig toll ist es heute, wenn man Oma und Enkelin auf den ersten Blick gar nicht unterscheiden kann. Um das zu erreichen, gibt es ein gut entwickeltes Gewerbe. Die plastische Chirurgie macht Busen größer oder kleiner, Lider straffer und schmäler, sie hebt Popos an und saugt Fett von den Hüften, spritzt Lippen auf Ballongröße und reduziert Krähenfüße auf kaum mehr wahrnehmbare Kräuselungen der Haut.

Meine Oma war nicht emanzipiert, wir sind es. Sie konnte sein, wie sie wollte, wir können es nicht. Sie durfte alt werden, wir müssen mit jedem Jahr perfekter schummeln. Na, danke. Das nenne ich Erfolg.

Was haben wir da falsch gemacht? Einst trat die alternative Frauenbewegung in Birkenstockschuhen und ebenfalls ohne Busenhalter an. Macht euch frei von allen Zwängen, rief man den Frauen zu. Dann kam die nächste Generation, die von den erreichten Möglichkeiten für Frauen profitierte. Job, Mann, Kinder, alles möglich, alles machbar. Aber nach den Regeln der Jobwelt, und da heißt es eben, neben Konkurrenz zu bestehen. Der Chef schaut auch aufs Äußere und die KollegInnen erst recht. Mit den neuen Freiheiten wurden schließlich auch Beziehungen instabiler. Kann also leicht sein, dass man sich mit 50 oder 55 noch einmal auf die Suche nach Traumprinz Nummer sieben begeben muss. Mit Hängebusen nicht so einfach.

Und dann noch die Zurufe aus allen Medien und Ratgeberbüchern: Optimiere dich selbst, mach das Beste aus deinem Typ, deinem Leben, deinen Möglichkeiten. Wer sich gehen lässt, hat schlechte Karten. Du kannst alles, wenn du willst. So viel Aufforderung zur Selbstkasteiung wurde früher nur Mönchen und Nonnen zugemutet.

Die Frau auf der Suche nach sich selbst ist leichte Beute für GeschäftemacherInnen. Zuerst malen sie ihr die schönen Bilder der allerschönsten Frauen an die Wand, machen Castingshows und lassen Heidi Klum die Maßstäbe setzen. Dann schicken sie die VerkäuferInnen von Vitaminpillen, Fitnessgeräten, Kosmetiktiegeln und Wässerchen für schönere Haare gleich hinterher. Ganz diskret darf es dann auch ein Hinweis auf einen wirklich guten Chirurgen sein, eine perfekte Ärztin mit ruhiger Hand. Wen wundert es, dass sich seit Kurzem vor allem Schauspielerinnen eher dafür rechtfertigen müssen, dass sie noch nicht die alte Haut verjüngen haben lassen, als dass man sie dafür bewundert. Das wird munter so weitergehen. Zumindest so lange, als niemand fragt, was denn nun eigentlich Schönheit sei. Fragen Sie doch einen Mann, sagt man mir. Also gut: Nur schön, sagt mir ein Freund, ist doch zu wenig. Das ist nur zum Anschauen, aber nicht mehr. Richtig schön ist eine Frau, sagt er, wenn sie von innen strahlt. Danke für die Auskunft. Und nun die Frage: Strahlt man von innen, weil man schön ist im Sinne von ideal, oder strahlt man aus anderen Gründen? Ich neige zu Ansicht zwei. Menschen, die von innen strahlen, sind solche, die von irgendetwas »beseelt« sind, begeistert und ganz in Anspruch genommen. Ich erinnere mich an jene hundertjährige Pianistin, deren Haut schon ganz altersfleckig war und die eine Figur wie meine Oma hatte. Aber wie war die Frau schön! Weil sie sich in der Früh schon darauf freute, sich ans Klavier zu setzen. Wie strahlte sie, wenn sie erzählte, dass sie bis zum 84. Lebensjahr unterrichtet habe. Sie dachte sicher nie an Brustimplantate, ihre Lider durften Falten werfen und die Füße steckten in bequemen Laufschuhen. Sie wollte begeistern – und sie war sie selbst. Vielleicht ist Schönsein gar nicht komplizierter?

Christine Haiden hält die Frage, was Wohlstand ist, für zentral in Bezug auf künftige Entwicklungen.

Schönheitsoperationen – Ein Überblick

Zahlen, wie viele Schönheitsoperationen in Österreich jährlich durchgeführt werden, sind nicht zuverlässig zu bekommen. In Deutschland geht man von ca. 430.000 aus, aliquot könnten es in Österreich um die 40.000 sein.

Zwei Drittel der Schönheitsoperationen werden an Frauen zwischen 19 und 45 Jahren durchgeführt.

Zwischen 25 und 35 werden vorwiegend Brüste vergrößert, zwischen 30 und 40 vorwiegend Brüste gestrafft. Ab 40 wird Fett abgesaut und Oberschenkel werden gestrafft. Ab 50 beginnen die Eingriffe im Gesicht.

Zahlen aus: Hans Weiss/Ingeborg Lackinger Karger: »Schönheit. Die Versprechen der Beauty-Industrie. Nutzen, Risiken. Kosten«, Verlag Deuticke.

Erschienen in „Welt der Frau“ März 2012 – von Christine Haiden

Illustration: www.margit-krammer.at

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 28.10.2013
  • Drucken