Ist das nicht großartig? Die Firma, Apple oder Facebook, blättert als eine Art Sozialleistung fast 20.000 Dollar auf den Tisch, wenn Mitarbeiterin X dafür mit dem Kinderkriegen noch etwas wartet. Was in Österreich verboten ist, lässt sich in Amerika völlig legal realisieren: Eizellen entnehmen, einfrieren und irgendwann wieder auftauen und daraus ein Kind „machen“. Alles geplant, alles „business as usual“. In einer Form von sprachlicher Verschleierung heißt das dann ganz technokratisch „social freezing“. Um es frei heraus zu sagen: Mich widern solche Entwicklungen an. Sind Menschen denn ganz Firmeneigentum? Was in amerikanischen Konzernen mit weltumspannender Bedeutung einmal möglich ist, wird auch bald woanders denkbar werden. Die totale Verfügbarkeit für den Beruf – ja mehr noch: für die Firma – wirkt wie eine neue Form der Leibeigenschaft. Mit mehr Rechten als früher, zugegeben, aber mental nicht so viel anders. Natürlich verkauft man uns das anders: Man hat ja als Frau angeblich von solchen Entwicklungen einen Vorteil. Man kann Entscheidungen für ein Kind aufschieben, vielleicht auch warten auf den richtigen Kindesvater, kann sein Leben planen. Viele Frauen, die jetzt schon Karriere gemacht haben und dank Verhütung Kinder auf später verschoben haben, stehen allerdings dann oft ganz ohne Kinder da. Der richtige Zeitpunkt war nie. Wann ist eine Karriere fertig, wann ohne Nachteile zu unterbrechen? Die Kinderlosen und die Männer fehlen bei der Arbeit nie.
Vorschläge wie die von Apple und Co. zeigen, dass in der Welt der Konzerne die Erkenntnis noch immer nicht angekommen ist, dass Kinder Mutter und Vater haben, dass Menschen Familie wollen, dass folglich auch das Thema „Berufsunterbrechung“ wegen Kindern im Idealfall ein Thema für Mutter und Vater ist. Konzerne sind Wirtschaftsmaschinen. Sie rechnen nur, ob sich etwas für die Firma rechnet. Eingefrorene Eizellen erleichtern die Planung im Unternehmen, sie garantieren, dass Investitionen in „Humankapital“ auch wieder zurückkommen. Ethik ist ihre Sache nicht.
Generell sollte man sich langsam fragen, welchen Preis im Privatleben ein Job, eine Karriere überhaupt wert ist. Jahrzehnte- oder jahrhundertelang waren es die Männer und Väter, die ihrem beruflichen und sozialen Aufstieg das Wichtigste opferten, was uns als Menschen auszeichnet: tragfähige, liebevolle Beziehungen zu unseren Nächsten, zu den eigenen Kindern, zur Ehefrau, zu den Verwandten. Oft waren diese Männer für ihre Leistungen anerkannt und geschätzt, auch in der Familie, aber sie blieben immer ein bisschen fremd im eigenen Haus. Nun schließen Frauen in die Welt der Öffentlichkeit und des Berufes auf. Sie sind gut ausgebildet, haben Chancen und nützen sie. Aber fast alle quälen sich mit der Frage, wann sie denn nun ihren Wunsch nach einer Familie, nach Kindern, realisieren sollen. Professor Wolfgang Mazal, österreichischer Familienforscher, meint, Frauen sollten die Kinderphase am besten wieder in das Alter um die 20 herum verlegen, dann wären die Kinder, bis die Karriere richtig losgeht, schon aus den Windeln. Ist das gut? Wenn die Ausbildung noch nicht abgeschlossen oder noch nicht erprobt ist?
Vielleicht sollten wir bei manchen Karriereversprechen doch genauer hinschauen, was sie wirklich sind. Bringen sie persönliche Bereicherung (nicht nur Reichtum), Wohlbefinden (nicht nur Wohlstand), Zufriedenheit (nicht nur Anerkennung)? Und worum geht es am Ende wirklich?
Viele Frauen meiner Generation der 1960 Geborenen haben wie auch ich keine Kinder bekommen. Ein Grund war meist auch, dass für unsere Generation der berufliche Aufstieg möglich war. Und dass die Frage, wann ein Kind passt, viele quälte. Jetzt, wo wir in den 50ern sind, sollten wir kinderlosen Frauen ehrlich zur nächsten Generation sein. Ja, man kann ein gutes Leben ohne Kinder führen. Aber nein, es ist nicht so toll, wie andere oft meinen. Mir fehlen Kinder, und ich bin froh, dass ich an den Kindern anderer „teilhaben“ darf. Ich freue mich über junge Kolleginnen, die sich für Kinder entscheiden, und ich versuche meinen Teil beizutragen, dass diese Entscheidung lebbar wird. Außerdem bin ich überzeugt, dass es darum geht, allen Männern und Frauen Zeit für die Gründung einer Familie und das Leben dieser möglich zu machen. Unsere Menschlichkeit entscheidet sich nicht an der Karriere, am Verdienst, am öffentlichen Ruhm. Schon eher darin, ob ein Kind nach unserer Hand greift.
Planung und Vereinbarkeit
- Amerikanische Konzerne wie Facebook oder Apple finanzieren karrierewilligen Mitarbeiterinnen das Konservieren von fruchtbaren Eizellen in Eis. Diese könnten zu einem späteren Zeitpunkt mittels In-vitro-Fertilisation problemlos zur Erfüllung eines Kinderwunsches eingesetzt werden.
- Die „Aktion Leben“ bezeichnete dieses Vorgehen als „realitätsfremd und frauenfeindlich“.
- Nur jeder fünfte bis sechste Versuch der In-vitro-Fertilisation führe zum Erfolg. Außerdem erhöhten sich bei dieser Form der Schwangerschaft etliche Risikofaktoren signifikant.
- Wirklich notwendig seien politische Rahmenbedingungen, die Frauen Kinder und Beruf besser vereinbaren ließen.
Erschienen in „Welt der Frau“ 12/14 – von Christine Haiden
Illustration: www.margit-krammer.at