Das ist der erste Satz in diesem Buch. Ja, ich hab das Buch vollständig gelesen, es ist nicht Verlegenheit, die mich diese Aussage als Titel des Lesezeichens nehmen ließ. Es ist meine Faszination über die Treffsicherheit dieser Aussage, ja, ich gebe es zu, ich habe dann noch gegoogelt, was 1, 3, 5 und so, Sie wissen schon, noch einmal ganz exakt bedeuten. Ein Begriff, ein Sog, man liest weiter und sitzt fasziniert vor dem großen Erzähler Köhlmeier, der uns seine Großmutter beim Märchenerzählen schildert, so dass wir mit dabei sind. Überhaupt das Erzählen, das Erschaffen einer Möglichkeitswelt neben der Realwelt: Egal, dass Großmutter sich beim Märchenerzählen die Nägel schnitt, nein, Maniküre war das nicht zu nennen. Der Zauber macht sich in der Küche breit, er entsteht in den Schulferien, ist ständig abrufbereit. Später folgt der Willen, Märchen bzw. Texte zu deuten. Ja, aber wie? Nein, Hänsel und Gretel bieten keine Patchworkfamilie mit Aschenputtel, sind nicht Teil einer bildungsfernen Familie mit Armutsgefährdung.
„Märchen stehen mit nichts in Beziehung, was mich umgibt; will ich in sie eintauchen, muss ich das Meine aufgeben und das Ihre annehmen, und manchmal ist das dem Märchen Eigene eine Teufelshaut, in die ein Mensch nicht hineinpasst. Ich habe mich nie mit einer Märchenfigur identifiziert, niemals. (S. 11)“
Nein, dieses Buch hilft uns nicht dabei, Märchen zu deuten oder zu begreifen. Wozu auch? Ihre Faszination reicht doch aus, uns staunend zu machen, in diesem Staunen zu halten.
Der Konjunktiv macht uns Angst
Sowohl Volks- auch als Kunstmärchen (z. B. E. T. A. Hofmanns „Sandmann“) erscheinen in Köhlmeiers Deutung in klaren Zusammenhängen, der Konjunktiv als Möglichkeitsform erlebt hier eine brisante Deutung:
„Wo aber alles möglich ist, ist auch alles unberechenbar. (S.56)“
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen: Ruhe, Wissen über die Arbeit der Gebrüder Grimm, Erkenntnisse über das Genre „Märchen“, einen wunderschönen Wanderweg durch die Literatur bzw. Literaturgattung, viel Köhlmeier steckt in diesen Betrachtungen!
Der Autor, 1949 in Hard am Bodensee geboren, ist sowohl als Schriftsteller als auch als Erzähler – klassischer Märchen, biblischer Geschichten und klassischer Sagen – bekannt. Er weiß sich und seine Geschichten trefflich zu inszenieren, wagt den großen Erzähl- und Spannungsbogen, etwa in seinen frühen Romanen wie „Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf“. Mehrfach ausgezeichnet ist bzw. wurde er, begonnen 1974 mit dem Rauriser Förderungspreis für Literatur. Unvergessen auch „Oho Vorarlberg“, das Erfolgslied mit Reinhold Bilgeri; ich mag das Adjektiv „umtriebig“ nicht, engagiert gefällt mir besser: So engagiert sich Köhlmeier auch gesellschaftspolitisch, macht seine politische Haltung öffentlich, man nickt, gibt ihm recht und ist froh darüber, dass eine Poet seine mahnende Stimme erhebt.
Michael Köhlmeier:
Von den Märchen.
Eine lebenslange Liebe.
nnsbruck – Wien: Haymon Verlag 2018.
206 Seiten.