Der Alltag ist bei den Männern, die den Literaturbetrieb prägen, angekommen. Da wird schon auch ein Kind im Buggy geschoben, über BHs philosophiert und sehr viel Herz gezeigt. Das klingt jetzt ordentlich kitschig, das Herz wird kurz von der Erwähnung des „BHs“ abgemildert: Ulrich Greiner muss nichts mehr beweisen, er geht gelassen ans Werk und ordnet den Alltag in seiner Aktualität und in der Zeitlinie vom Damals zum Heute einfach nach dem Alphabet.
Er schreibt über Bücher, die aber nach „Agfa Clack“ kommen, Greiner, „Meine Kindheit war bilderarm. Das Wilhelm-Busch-Album, ein von vielen Vorfahren zerlesenes Familienstück, habe ich mit unendlicher Neugier studiert.“ So beschreibt ein Jung-Leser seine Initiation und bietet damit Ansätze über Leseförderung, Lesen damals und heute ins Gespräch zu kommen. Dann kommt man vom Auto zum Bart und über den Baum zum Bett. Hier eine ausgewählte Reiseroute durch diverse Schlafstätten hin zu jenem grandiosen Bett, in dem wohl die jüngste Tochter gezeugt worden war. Persönliches, niemals aufdringlich und schrill, dann wieder Nostalgisches und Selbstkritisches, immer treu dem Alphabet folgend. Ja, für den Bleistift-Text nimmt er uns sogar mit auf den Salzburger Mönchsberg, also den Mönchsberg in Salzburg, zu Peter Handke, auf dessen alten Holztisch eine stattliche Sammlung von Bleistiften zu sehen war. Ja, lesen wir doch schnell dazwischen Handke, „Die Geschichte des Bleistifts“ aus dem Jahr 1982. In dieses Kapitel schiebt Greiner dann auch noch die mechanische Schreibmaschine und deren Gebrauch in diversen Redaktionen mit rein, sympathisch, wie man von Handkes Mönchsberg zu Bölls Typoskripte kommt und das auf kurzen zwei Seiten.
Ein Büchersammler bin ich nie geworden, bibliophile Leidenschaften sind mir fremd. Da ich viele Jahre lang Mitglied von Redaktionen war, die von nahezu allen Verlagen mit Freiexemplaren eingedeckt wurden, erschien mir die Flut ankommender Bücher fast als eine Bedrohung, weil ich glaubte, möglichst viele davon kennen zu müssen.
Familiengeschichte(n), Einblicke in die Redaktionen, Beisammensitzen mit SchriftstellerInnen: Der Feuilletonchef der ZEIT, der war Greiner bis 1995, hält hier auf bescheidene Weise mit klar akzentuierter Dankbarkeit Rückschau, bis Z wie Zimmer. Er beendet dieses Kapitel mit Reflexionen über Grabbeigaben und seine eigene letzte Reise.
Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Alltag, Literaturszene, Witz, Humor, Durchbrechen mancher Erwartungen, Erinnerungen an bekannte AutorInnen und deren Werke.
Der Autor, Jahrgang 1945, war nicht nur bis 1995 der Feuilletonchef der Zeit, später verantwortlicher Redakteur des Literaturresorts, sondern ist jetzt Autor der ZEIT. GermanistInnen und natürlich auch unbefangenere LeserInnen als die erstgenannten haben mit Ulrich Greiners Publikationen, etwa zu Stifter, gelernt, wie man auf Werke schauen, sie begreifen und vielleicht sogar richtig verstehen kann und das noch in einem größeren Kontext.
Ulrich Greiner:
Das Leben und die Dinge.
Alphabetischer Roman.
Salzburg: Jung und Jung 2015.