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04-05/24

Lasst uns einen Satz nach vorne machen

Lasst uns einen Satz nach vorne machen

In exakt vier Kapiteln erläutert die kanadische Autorin und Journalistin Naomi Klein den Aufstieg Trumps als den Aufstieg der Supermarken, verweist auf die Schocks, die in Zukunft zu erwarten sind und letztendlich, also in Kapitel vier, die Ermutigung, einen Traum zu wagen.

„Die Hauptsäulen von Trumps politischem und ökonomischem Projekt sind: die Dekonstruktion stattlicher Behörden, ein Frontalangriff gegen den Wohlfahrtsstaat und das Sozialwesen (teilweise begründet mit bösartiger rassistischer Panikmache und Angriffen gegen Frauen, weil sie Gebrauch von ihren Rechten machen), die Entfesselung eines rauschhaften Verbrauchs fossiler Brennstoffe ... und ein Kulturkrieg gegen Einwanderer und den ‚radikalislamischen Terrorismus’ (auf sich stetig ausweichenden Schauplätzen im In- und Ausland). S. 17“

Die Autorin beschreibt die Entwertung von Produkten hin zu Marken: Es geht nicht um den exakt gefertigten Turnschuh, es geht um die Marke und das Lebensgefühl, das einem just diese Marke gibt, das also mit dem Schuh verkauft wird „Just do it“! Trump bespielt den Schauplatz der Marken einzigartig, frech und dreist: Mehr Geld muss in die volle Kasse und der neue Firmensitz ist das Weiße Haus. Auch das eine Marke und ein Marker der Macht, hier zeigt man sich als Familie, die Schuhe der Kollektion der Tochter lässt man derweil in China zusammennähen „make America great again!“ Oder doch nicht?

Kleinere Teile des vorliegenden Buches sind bereits in Form von Essays, Reden und Büchern erschienen – beispielsweise die Analyse der Schocks; die Mehrzahl der Texte ist aber neu. Die Kapitelüberschriften sind genial, etwa „Was Konservative über den Klimawandel wissen – und Linke nicht begreifen“: Konservative verteidigen mit dieser Leugnung ihr Billionenvermögen und gleichzeitig ihre Ideologie des Neoliberalismus:

„Der Markt habe immer recht, Regulierung sei immer falsch, alles Private sei gut und der Staat böse, und Steuern zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen seien das größte Übel überhaupt.“ (S. 113)“

Als am 11. 9. 2001 zwei Flugzeuge in das World Trade Center/Pentagon flogen, erlebten die USA ein Trauma: Laut der Autorin ihr erstes, den USA fehlt die kollektive Erinnerung an solche Traumata. Wohl hat der Genozid an den indigenen Völkern, haben die Sklaverei und unzählige Lynchmorde die Bevölkerung sehr wohl traumatisiert, nur waren diese inneren Traumata in den Biografien der Betroffenen überaus präsent, nicht aber in der Gesamtbevölkerung:

„Sie sind nicht Teil eines nationalen Narrativs, das alle Amerikaner in die Lage versetzt hätte, den Unterscheid zwischen vernünftigen Sicherheitsmaßnahmen und der Ausnutzung von Angst zum Durchsetzen opportunistischer Ziele zu erkennen. (S. 265)“

Bush und seine Regierung nutzen diesen Schock, für Kriege im Ausland und für Einschränkung der Bürgerrechte im Inland – ich mag den Ausdruck nicht „wie Schuppen von den Augen“, aber ein besserer fällt mir besonders für diese Seiten nicht ein. Naomi Klein ermuntert zum großen Satz nach vorn, kleine Schritte würden die Bevölkerung nicht mehr weiter bringen. Der Schock des 11. Septembers hat viele Bürgerinitiativen leiser werden lassen, Terror begann, alle Diskussionen zu dominieren und Kämpfe gegen Rassismus und Sexismus zu überlagern. Damit ist jetzt Schluss: Klein wirft einen Blick auf Landgrabbing, auf unbezahlte Care-Arbeit, auf die Ausbeutung der Natur und der Menschen – auf zu einer Wirtschaft, die im Einklang mit den begrenzten Ressourcen der Erde steht; Ausbau der Berufe, die bereits „kohlestoffarm“ sind: Lehrarbeit, Pflege, Sozialarbeit, Kunst und öffentliche Medien. Ach ja, das bedingungslose Grundeinkommen erwähnt sie auch noch!!!

 

Die Autorin hat den internationalen Bestseller „No logo“ geschrieben, wendet sich in aller Vehemenz gegen die Allmacht der globalen Marken, den Kapitalismus und deckt Verlogenheiten rund um Markenstrategien der Großkonzerne auf. Die Journalistin und Bestsellerautorin ist gefragte/streitbare Referentin mit klarem Blick auf politisch/gesellschaftliche Entwicklungen.

Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Seitenweise Wahrheit, Ermutigung, sofort auf die Straße zu gehen, man verliert hoffentlich den Glauben daran, mit Konsum die Welt besser zu machen – Fair-Trade-Kaffee entschuldige bitte, du bist nicht gemeint; Exkurse in Feminismus und Rassismusdebatten, scharfe Analyse des Wahlkampfs D. Trumps, Analyse des Scheitern von Sanders …. eine Wohltat nach zu vielen Tweets D. Trumps, Ermutigung, vernetzt zu denken und agieren, Anregung zur Behutsamkeit, gepaart mit politischer Klarsicht.

Naomi Klein:
Gegen Trump.
Wie es dazu kam und war jetzt tun müssen.
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel, Sonja Schuhmacher und Claus Varrelmann.
Frankfurt am Main: Fischer Verlag 2017.
366 Seiten.

Christina Repolust

wurde 1958 in Lienz/Osttirol geboren. Sie schloss das Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg ab. Seit 1992 ist sie Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Zudem leitet sie Literaturkreise und Schreibwerkstätten für Groß und Klein. Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.“

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  • Veröffentlicht: 22.09.2017
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