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03/24

Buchempfehlung: Das Lesen und ich

Buchempfehlung: Das Lesen und ich

Für mich war Lesen wie Magie

Kirsten Boie ist eine großartige, ununterbrochen mit Auszeichnungen bedachte, über den deutschsprachigen Raum hin bekannte Schriftstellerin. Sie hat sich als 5-Jährige selbst das Lesen beigebracht – das war dann 1955 – und richtet eine klare Botschaft an Politik und Zivilgesellschaft: Jedes Kind muss lesen lernen. Ein kleines, feines Büchlein mit großer Botschaft: Lesen Sie es, verschenken Sie es, engagieren Sie sich als Vorleserin/Vorleser!

„Denn Lesen ist das  Nadelöhr in die Gesellschaft, Lesen bleibt auch heute die Grundlage für alles Weitere.“

In exakt 17 Kapitel gegliedert ist diese Streitschrift: Sie enthält Biografisches wie Bildungspolitisches, sie gibt Einblick in die Bedeutung der Kulturtechnik des Lesens und ist konsequent in ihrer Botschaft. Es geht nicht darum, dass die, die mit vollen Bücherregalen aufwachsen noch ein paar Büchlein mehr bekommen, sondern es geht darum, dass jedes Kind lesen lernt. Meinen Sie jetzt vielleicht: Klar, das ist doch Aufgabe der Schule! Oder der Eltern! Genau hier setzt ja Kirsten Boie an: Es geht darum, dass nicht in allen Elternhäusern vorgelesen wird, dass nicht in allen Elternhäusern volle Bücherschränke stehen, dass nicht alle Kinder wie die kleine Kirsten ticken und sich einfach selbst schnell das Lesen beibringen.

„Ich war fünf Jahre alt, als ich mir das Lesen beigebracht habe. Meine Eltern konnten es nicht fassen, als ihre Tochter auf einer Fahrt mit der S-Bahn durch die Trümmerlandschaft der Hamburger Innenstadt an der Haltestelle Sternschanze in den Ruinen auf der Hauswand vollkommen überraschend einen Werbetext entzifferte: Persil und sonst gar nichts.“

1955 hatte eine Fünfjährige weniger Lesestoff als heutige Fünfjährige, aber sie hatte auch weniger Ablenkungen, da war das Eintauchen in die Geschichten nur allzu willkommen. Wir, die LeserInnen, müssen uns stärker einmischen, eine Lobby bilden, die Entscheidungsträgern die Relevanz darlegt, die ein Leseland, also ein Land, in dem alle lesen können, hat. Die Autorin regt mit anschaulichen Beispielen an, auch auf die wirtschaftlichen Folgen hinzuweisen, die auftreten, wenn in einem Land die Zahl der sekundären/funktionalen AnalphabetInnen steigt. Was für Deutschland gilt, gilt hier selbstverständlich auch für Österreich!

Kirsten Boie:
Das Lesen und ich.
Oetinger 2020.
96 Seiten.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

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  • Veröffentlicht: 21.12.2020
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