Wer Thriller liest, will Spannung und vermutlich auch Gerechtigkeit, die ja wiederum ähnlich wie die Schönheit im Auge des Mörders, im konkreten Fall, im Auge Blums, der Mörderin liegt. Bernhard Aichner hat uns Brünhilde Blum in „Totenfrau“, im ersten Band seiner Trilogie also, vorgestellt: Eine Frau, die es nie leicht hatte, die schon früh und hart bestraft wurde, die schließlich doch noch die Liebe traf. Harte Strafen? Sobald Brünhilde im elterlichen Bestattungsinstitut nicht spurte, sperrte man sie in einen Sarg. Also, alles klar. Harte Bandagen. Klar, Blum – sie will genau so genannt werden – hat den Mord an ihrem Mann, dem Polizisten, gerächt, ja, sie hat dabei und dafür getötet und die Leichen am sichersten Ort der Welt untergebracht: In den Särgen der „normal Sterblichen“.
Na ja und hier schreibt Bernhard Aichner, der erzählfreudige Osttiroler, der es versteht, eine Mehrfachmörerin so sympatisch zu skizzieren, dass man ihr alles verzeiht und immer auf ihrer Seite steht, einfach weiter. Jetzt liegt sie am Boden, seine und unsere Blum, ihre Situation scheint auswegslos. Aber wer eine Trilogie ankündigt, lässt seine Hauptperson nicht gleich im zweiten Band auf Seite 7 sterben, das weiß man, wenn man groß genug ist, Thriller zu kaufen, zu entlehnen und zu lesen. Zeitgleich mit dem Überlebenskampf der Hauptperson findet man bei einer Exhumierung auf einem Innsbrucker Friedhof in einem Sarg zwei Köpfe und vier Beine: Blum hat sich also verrechnet, gierige Erben des regulären Sargbewohners haben die Exhumierung erwirkt und jetzt geht sie los, die Jagd auf die Totenfrau.
Doch vielleicht der Reihe nach. Genial in jedem Fall, wie Aichner sein eigenes erstes Blum-Buch „Totenfrau“ in der ersten Szene zusammenfasst, wer also einen Band zu spät in den Erzählfluss springt, geht nicht unter! Doch jetzt doch lieber der Reihe nach: Blum und ihre beiden Töchter fahren auf Urlaub: Chalkidiki, ein Neuanfang vielleicht. Ein ganzseitiges Foto in einer Zeitschrift verstört Blum: Eine tote Frau auf einem Zebra schaut ihr entgegen, es ist, als schaute sie in einen Spiegel. Wir sind gerade auf Seite 20 und wissen, dass es blutig weitergehen wird, dass Blum wieder in einen Strudel geraten wird und hoffen wieder, dass sie alle Kämpfe überlebt.
Blum begegnet Kuhn, der Leichen präpariert, als Kunstobjekte inszeniert und erfährt von ihm von ihrer Zwillingsschwester Björk und von Ingmar, dem Bruder. Auch Kuhn ist ein Gejagter, der aber ganz im Sinne der Verstorbenen Bilder mit Leichen inszeniert. Blum, die sich immer nach ihrer richtigen Familie gesehnt hat, ist, nachdem sie sie endlich gefunden hat, in einem Horrorfilm gelandet.
Sachlich der Bericht eines Mörders. Wie er es getan hat. Was er sich dabei gedacht hat. So, als wäre es das Normalste auf der Welt, beschreibt er es. So, als wäre es das Normalste auf der Welt, beschreibt er es. So, als hätte er keine andere Wahl gehabt, ohne Rührung sein Appell an Blum, ihn nicht dafür zu verurteilen.
Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Spannung, no na, Wut, Streben nach Gerechtigkeit, mindestens drei kaputte Charaktere, einen treuen Schwiegervater und Opa, Schnelligkeit beim Reisen und Erzählen, Roadmovie, Verrücktheiten zwischen Innsbruck und Nürnberg und nirgendwo.
Der Autor, Jahrgang 1972, ist auch Fotograf, und liebt gründliche Recherchen, weshalb er in einem Bestattungsinstitut in Innsbruck auch „praktizierte“, er schreibt außer seinen Krimis bzw. dieser Thriller-Trilogie Romane in einer ganz anderen Tonart u. a. im Haymon-Verlag.
Bernhard Aichner:
Totenhaus.
Thriller.
München: btb Verlag 2015.