Aktuelle
Ausgabe:
Zeit
07-08/24

Buchempfehlung: „Zwei in Italien“

Buchempfehlung: „Zwei in Italien“

Ein Mann und eine Frau fahren mit dem Auto nach Italien. Beide sind alleinstehend, man ist bereits in der reiferen Lebensphase angekommen und weiß um die Gefahren des Sich-Verliebens. Man hat Respekt vor der Liebe und noch mehr vor ernsthaften Beziehungen. Ein Sittenbild der fünfziger Jahre, flüssig und modern erzählt.

Ein kleines bisschen Glück

Dieser Roman ist schnell gelesen, mit einem Schmunzeln, wenn man vielleicht in den 1960er-Jahren geboren ist, doch einiges über die 50er-Jahre weiß, viele alte Schwarz-Weiß-Filme genossen hat. Die Autorin macht einen eingangs mit einer für die damaligen Gesellschaftsvorstellungen eigenwilligen Frau bekannt: Selbstständig, als Innenarchitektin erfolgreich, gelegentliche Affären durchaus genießend, stets genussvoll rauchend.

Dass die diese Hauptfigur dieses Road-Movie dem „Ruf“ ihres platonischen Freundes Paul folgt, in die Reise nach Italien einwilligt, ist ihrer Abenteuerlust zuzuschreiben. Man kann es genießen, dass hier noch Koffer ausgeborgt, Telegramme verschickt und Kofferträger am Bahnsteig erwartet werden.

Dann geht die Reise los, das – platonische – Paar parkt am Residenzplatz: Ja, diese Bilder kennt man aus alten Ansichtskarten und man erinnert sich an die legendären Filme wie „Im weißen Rössl“, doch darum geht es hier wirklich nicht, na ja, es geht schon um eine schüchterne Anbahnung von Gefühlen. Hier wird ausführlich, realistisch erzählt, manche Seitenhiebe werden ausgeteilt, Atmosphäre entsteht in ausführlichen Beschreibungen:

„Dann aber gingen wir ins Haus und sanken wie matte Fliegen auf die Bänke der hübschesten Wirtsstube, die wir seit Langem gesehen hatten. Alles in dieser Stube war freundlich, angenehm und wohltuend behaglich. Die Wirtin kam mit der milden Tröstlichkeit eines geschulten Psychiaters an unseren Tisch und kochte alles, was wir wollten“
Seite 21

Die Grenzpassagen sind eindrucksvoll wie richtige Abenteuer geschildert, dabei will die Protagonistin doch nur ihre geliebten Zigaretten über die Grenze schmuggeln, was ihr auch gelingt. Ein vergnüglicher Roman über die Annäherung zweier Charaktere, die lange allein lebten und sich dann doch noch ineinander – irgendwie – verlieben.

Was Sie verpassen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen:

ein Road-Movie aus den fünfziger Jahren, eine kostenlose, nie langweilig werdende Zeitreise, eine aufbegehrende Frau, die sich den an sie gestellten Erwartungen widersetzt: Sie lebt allein, ist berufstätig, raucht, ist finanziell selbstständig, hat so ihre Liebschaften und lacht lange und laut über die Eigenheiten ihres platonischen Freundes Paul.

Sie versäumen einfach eine Retro-Reise, vermissen ab Seite 10 die Filmmusik, sehen den Text als Film und beginnen, Hunger zu bekommen, hier wird gegessen, getrunken, geflirtet – und der platonische Freund wird … na ja, lesen Sie einfach selbst!

Die Autorin Juliane Kay

1904 in Wien geboren, 1968 in Wien verstorben, sie verfasste zunächst Bühnenstücke, inszenierte diese selbst, schrieb Filmdrehbücher und arbeitete auch als Co-Autorin an den Drehbüchern sehr berühmter Film wie etwa „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“ mit. Ihr Humor und ihre subtile Kritik an den herrschenden Verhältnissen zeichnet den vorliegenden Roman aus.

Juliane Kay
Zwei in Italien
Milena Verlag
174 Seiten.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 16.02.2022
  • Drucken