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Josephine Baker: Das Liebkind von Paris

Josephine Baker: Das Liebkind von Paris

Josephine Baker war eine Sensation: Sie machte als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin in Paris Furore, spionierte als Agentin im Zweiten Weltkrieg Nazioffiziere aus und kämpfte als Aktivistin gegen Rassismus. Die Geschichte einer Frau, die über alle Grenzen hinwegtanzte.

Josephines Herz schlägt so fest, dass sie meint, die Perlenkette um ihren Hals müsse jeden Moment zerreißen. Sie steht abseits der Bühne im Pariser Theater „Folies Bergère“ und wartet auf ihren Einsatz. Nur die Stimmen der anderen DarstellerInnen, einige Strahlen Scheinwerferlicht und das Gelächter des Publikums dringen zu ihr vor. „Jetzt, Josephine!“, flüstert jemand hinter ihr. Einmal noch rückt sie ihren Rock aus goldglitzernden Bananen zurecht, dann tritt sie hinaus ins Licht. Inmitten der Dschungelkulisse beginnt Josephine zu tanzen, bis sich alles um sie herum im Scheinwerferlicht und Applaus auflöst.

1906 kommt Freda Josephine McDonald in einem ärmlichen Stadtteil von St. Louis, Missouri zur Welt. Ihre Mutter Carrie ist Wäscherin, ihr Vater Eddie Schlagzeuger. Josephine wächst in Armut auf und bricht mit zwölf Jahren die Schule ab. Von da an verdient sie als Kellnerin, Dienstmädchen und Tänzerin etwas Geld. Als sie dreizehn Jahre alt ist, verheiratet ihre Mutter sie mit einem erwachsenen Mann. Josephine lässt sich bald scheiden und schließt sich einer Gruppe StraßenkünstlerInnen an.

Ihre Mutter will nicht, dass Josephine Tänzerin wird. Zu jener Zeit gelten die rassistischen Rassentrennungsgesetze, und das schlägt sich auch im Showbusiness nieder. Weiße DarstellerInnen schminken sich das Gesicht schwarz und verhöhnen AfroamerikanerInnen, schwarze DarstellerInnen müssen andererseits so hellhäutig wie möglich sein, um auftreten zu dürfen. Da soll Josephine nicht hineingeraten. Doch die hat sich längst entschieden – es zieht sie ins Scheinwerferlicht. Mit fünfzehn Jahren tritt sie einer Tanztruppe bei und heiratet ein zweites Mal, diesmal den Schaffner Willie Baker. Als ihre Truppe wenig später am Broadway engagiert wird, verlässt sie ihre Heimatstadt und ihren Mann. Seinen Nachnamen behält sie jedoch ihr Leben lang.

In New York tanzt Josephine im wahrsten Sinne des Wortes aus der Reihe. Ihr komödiantisches Talent begeistert die ZuseherInnen, und sie bekommt bald mehr bezahlt als all ihre Kolleginnen. 1925 erhält sie das Angebot, in der „Revue Nègre“ in Paris aufzutreten. Josephine sagt zu und besteigt mit neunzehn Jahren einen Dampfer Richtung Europa.

In Paris wird sie schlagartig zum Star. Sie tritt beinah nackt auf und begeistert das Publikum mit ihren erotischen Choreografien. Josephine gibt sich als exotische Schönheit, tanzt in einem goldenen Bananenrock und bringt ihren Geparden Chiquita mit auf die Bühne. Obwohl sie auch in Europa mit Vorurteilen zu kämpfen hat, fühlt sie sich hier zum ersten Mal frei. Es gibt keine Rassentrennung, und ihr stehen alle Türen offen. Josephine tritt in Filmen und Opern auf und hat mit ihrem Lied „J’ai deux amours“ großen Erfolg. „Ich habe zwei Lieben“, singt sie darin, „Paris und mein Land.“ Doch ihr Land, Amerika, liebt sie nicht zurück.

1936 kehrt Josephine in die USA zurück. Doch ihr Auftritt am Broadway wird ein Flop: Sie erhält bösartige Kritiken und wird kurzerhand durch eine andere Darstellerin ersetzt. Zur gleichen Zeit stirbt ihr Manager und Liebhaber Pepito überraschend an Krebs. Josephine verlässt verstört die USA und nimmt die französische Staatsbürgerschaft an.

Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, beginnt sie für den französischen Geheimdienst zu arbeiten. Sie horcht auf Parties hochrangige Offiziere aus, versteckt Mitglieder des Untergrunds auf ihrem Anwesen und organisiert ihnen Papiere. Auf einer angeblichen Tournee sammelt sie in ganz Europa Informationen, die sie mit unsichtbarer Tinte auf ihren Notenblättern notiert. Nach dem Krieg wird sie dafür zum Mitglied der Ehrenlegion ernannt – die höchste militärische und zivile Ehre Frankreichs.

In der Nachkriegszeit feiert Josephine plötzlich auch in den USA rauschende Erfolge. Doch als sie einen exklusiven Club in Manhattan besucht, wird sie als schwarze Frau von den Kellnern nicht bedient. Sie wehrt sich, und die Sache wird zum Skandal. Josephine wird in der Presse attackiert, verliert ihr Arbeitsvisum, muss alle Auftritte absagen und das Land verlassen. Von da an setzt sie sich in der Bürgerrechtsbewegung ein. An der Seite von Martin Luther King hält sie beim „March on Washington“ als einzige Frau eine Rede. „Ich habe die Paläste von Königen und Königinnen betreten, und die Häuser von Präsidenten“, sagt sie. „Aber ich kann in Amerika nicht in ein Hotel gehen und eine Tasse Kaffee bestellen, und das macht mich wütend.“

Nach der Ermordung Dr. Kings wird Josephine sogar die Führung der Bürgerrechtsbewegung angeboten. Doch sie lehnt ab, ihrer Familie wegen. Sie hat Kinder aus allen Ecken der Welt adoptiert und zieht sie auf ihrem Anwesen in Südfrankreich groß. Ihre zehn Söhne und zwei Töchter kommen aus Frankreich, Marokko, Korea, Japan, Kolumbien, Finnland, Israel, Algerien, der Elfenbeinküste und Venezuela. Josephine will beweisen, dass Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Religionen friedlich zusammenleben können. Sie nennt ihre Familie „Rainbow Tribe“, den Regenbogenstamm.

Mit beinahe siebzig Jahren tritt Josephine immer noch regelmäßig auf. 1975 feiert sie ihr fünfzigjähriges Bühnenjubiläum mit einer großen Revue in Paris. Vier Tage später wird sie tot in ihrem Bett aufgefunden, umgeben von begeisterten Kritiken ihres Auftritts. Einer ihrer Söhne meint später, dass seine Mutter wohl an Glück verstorben sei.

Ricarda OpisRicarda Opis

wurde 1996 in Graz geboren und studierte ebendort Journalismus und Public Relations (PR). Sie erzählt am liebsten die Geschichten von Frauen und Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Für diese Serie verbindet sie ihre beiden größten Leidenschaften, indem sie die Geschichten großer Frauen nicht nur erzählt, sondern auch bebildert. Wenn sie nicht gerade schreibt oder zeichnet, begeistert sie sich für alles, was sonst noch kreativ ist, und die Geschichte, Kulturen und Politik des Nahen Ostens.

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  • Veröffentlicht: 15.02.2020
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