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Pilgern: Christa Englinger und Lydia Neunhäuserer im Interview

Pilgern: Christa Englinger und Lydia Neunhäuserer im Interview

Die Pilgerbegleiterinnen Christa Englinger und Lydia Neunhäuserer beantworten die Fragen unserer Leserinnen.

Viele „Welt der Frauen“-Leserinnen und Leser hatten nach dem Lesen des Pilgertagebuchs von Chefredakteurin Sabine Kronberger persönliche Fragen zu diesem bewegenden Thema. Weitergegeben an die Pilgerbegleiterinnen Lydia Neunhäuserer aus Zell an der Pram und Christa Englinger aus aus Wien, können wir Ihnen nun die Antworten dazu übermitteln.

 

Was ist Pilgern?

Christa: anstrengend! Nein im Ernst: Es ist unterwegs sein aus Sehnsucht.

Warum pilgern Menschen?

Lydia: Es gibt viele verschiedene Motivationen warum Menschen pilgern. Längere Pilgerwege werden oft an Lebensübergängen, nach oder in Sinn- und Lebenskrisen gegangen. Oft ist der Grund aber auch Dankbarkeit für Heilung, für die Schöpfung oder aus einer inneren Sehnsucht heraus, sich von „etwas“ finden zu lassen, das sie erahnen, aber noch nicht kennen. Manche suchen auch die sportliche Herausforderung oder die internationale Gemeinschaft auf Pilgerwegen in den Herbergen. Am Jakobsweg z.B. kann man am Weg Menschen aus den verschiedenen Ländern kennenlernen. In den letzten Jahren merke ich auch, dass es Menschen zum Pilgern hinzieht, die mit der kirchlichen Struktur nicht mehr einverstanden sind und im Pilgern eine Form finden, ihren Glauben und ihre Spiritualität zu leben.

Welche drei berühmten Pilgerstrecken sind die beliebtesten?

Lydia: Die berühmtesten Pilgerwege sind der Jakobsweg, Wege nach Mekka oder rund um den Kailash in West-Tibet zu gehen.

Kann man auch in Österreich pilgern? Wohin?

Christa: Selbstverständlich. Alle österreichischen Pilgerwege sind auf  www.pilgern.at zusammengefasst. Informationen gibt es auch beim Pilgerinfozentrum in Wien, Angebote findet man aber auch auf der Website der spirituellen WegbegleiterInnen in OÖ.

Ab welcher Marschdistanz ist es echtes Pilgern?

Lydia: Es kommt, unserer Meinung nach, nicht auf die Distanz, sondern auf die innere Einstellung an. Aber: Bei manchen Pilgerwegen muss man eine Distanz von mindestens 100 Kilometern zurücklegen, um eine Pilgerurkunde zu erhalten.

Welche Formen des Pilgerns gibt es?

Lydia: Wallfahrten, das Pilgern mit Busunterstützung zu Pilgerzielen, Fußpilgern.

Kann jeder Mensch pilgern gehen? Muss ich Christin sein, um zu pilgern?

Christa: Jeder Mensch, unabhängig von seiner religiösen Einstellung, kann sich pilgernd auf den Weg machen.

Warum ist Pilgern ein derart häufiges Lebensziel vieler Menschen?

Lydia: Weil viele Menschen Sehnsucht nach Sinn und Lebenserfüllung, Abenteuer und Selbstfindung haben. Diese Tendenz ist auch vermehrt in den letzten Jahren zu spüren.

Was macht für euch die Faszination „Pilgern“ aus?

Christa: Das Loslassen und Freiwerden von Alltagslasten, die Gelegenheit, am Weg ganz im Hier und Jetzt zu sein, sich der Stille, der Natur und den Begegnungen hingeben zu können, die Freiheit, sich von jedem Tag neu überraschen lassen zu können, die Leichtigkeit des Vagabundierens. Es ist das Gesamtpaket und für mich auch die Gesellschaft von Lydia.

Lydia: Für mich sind es viele Komponenten. Das Aufbrechen aus dem Alltag in ein Stück Ungewissheit, unterwegs sein, Begegnungen mit Menschen mit mir und mit Gott, Geschenke, Besonderheiten, Grenzerfahrungen, den ganzen Tag bei jedem Wetter in der Natur sein, Selbstverständlichkeiten des Alltags wie geheiztes Zimmer, Vollkornbrot wertschätzen. Es geht auch darum, auf die Frage „Was zieh ich heute an?“ verzichten zu können, weil es nur ein Gehgewand und ein Abendgewand gibt. Man hat das Wissen, mit wenig auskommen zu können, sich über Kleinigkeiten am Weg zu freuen. Das Schönste ist aber das Ankommen am Ziel. Dann, wenn man mit Erinnerungen und gestärktem Vertrauen ins Leben auch wieder nach Hause kommen und sich auf den Alltag freuen kann.

Was ist besser: In der Gruppe oder alleine pilgern?

Lydia: Das ist individuell sehr verschieden und kommt definitiv auf den Weg, die Lebensumstände, den Menschen selbst und seine Zielsetzungen an. Wer mit einer organisierten Reise unterwegs ist, muss ich auf das Team, die anderen Menschen und die vereinbarten Abläufe einlassen.

Muss ich sehr sportlich sein, um es zu tun?

Christa: Eine gewisse Grundkondition ist je nach Höhenmetern und Streckenlänge von Vorteil. Aber man muss keine Sportskanone sein.

Kann ich auch mitgehen, wenn ich mit Rosenkranz beten und der Institution Kirche nichts am Hut habe?

Lydia: Da es verschiedene Pilgerbegleiterinnen mit verschiedenen Pilgerinhalten gibt, ist es sinnvoll, sich einer Person anzuschließen, bei der man spürt, dass man gut aufgehoben ist. Es gibt viele Pilgerinnen die mit der Kirche nicht mehr viel anfangen können und doch einen spirituellen Weg gehen möchten. Meiner Erfahrung nach wird hauptsächlich bei Wallfahrten Rosenkranz gebetet. Die individuellen Unterschiede der einzelnen BegleiterInnen sind sehr verschieden. Ich würde die von mir geleiteten Touren als sanft christlich bezeichnen, wobei man darüber streiten kann, ob diese beiden Worte überhaupt zusammengehen.

Was ist die kürzeste Pilgerstrecke in Österreich?

Lydia: Pilgern kann auch eine Runde im eigenen Garten bedeuten. Wenn man möchte, kann man es mit einem Pilgerritual verbinden: Einen Stein ablegen, eine Bitte formulieren, im Staunen und Danken den erwachenden Frühling und die Schöpfung begrüßen.

Welt der Frauen ReiseAktuelle Pilgerreisen

Pilgerwanderung am Weg des Buches im Juli 2022

Weitgehen in Cornwall im September 2022

Weitere Pilgerreisen am Franziskusweg sind für 2023 in Vorbereitung.

„Welt der Frauen“-Reisen in Kooperation mit WELTANSCHAUEN.
WELTANSCHAUEN organisiert sozial-ökologische Reisen mit einem nachhaltigen Reisekonzept.

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  • Veröffentlicht: 19.04.2022
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