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04-05/24

Ich muss einen Weg finden zum Glück

Ich muss einen Weg finden zum Glück

Dieses Buch erzählt gar nichts Neues. Es besticht weder durch besonders originelle Erlebnisse noch durch besonders prekäre Lebenssituationen, kein Buch wie von Enthüllungsjournalist Wallraff. Aber dafür ehrlich, genau und sehr reflektiert geschrieben. Karin Steger erzählt von ihren Erfahrungen als (werdende) Mutter, ihren Wünschen und ihrem Scheitern. Nicht das große Scheitern beschwört sie, sondern vielmehr skizziert sie in ihrem Buch die winzigen Ausbruchsversuche aus dem Hamsterrade zwischen Berufstätigkeit und Familie. 1999 bekommt sie ihr erstes, 2010 ihr zweites Kind.

„Ich kann nicht mehr heißt eigentlich: Ich mag nicht mehr. Ich mag nicht mehr funktionieren. Ich stelle mich tot. Ich habe keine andere Wahl. Ich bin über die Jahre, schön langsam, wie in Zeitlupe, eingeknickt.“

Nein, die Superfrau geht hier nicht einfach in die Knie und wer will hier eine Superfrau sein. Als die Dämme gebrochen sind, die Tränen fließen, kommen auch die richtigen Fragen zurück. Warum schauen alle zu, wie Familien zerbrechen, weil sich Mann und Frau aus den Augen verloren haben, mit- oder nebeneinander Kinder großziehen, während sich der Leistungsdruck ständig erhöht. Die Miete steigt und damit auch die Anforderung, mehr zu verdienen, mehr zu arbeiten, mehr zu koordinieren. Hier ist genug ja nie genug. „Damit es irgendwie reicht“, so leben auch die Freundinnen der Autorin, viele davon wie sie selbst gut ausgebildete Frauen. Und da ist dieses Achselzucken: Selber schuld, ihr habt ja freiwillig die Kinder bekommen, schaut doch, wie ihr über die Runden kommt. Es ist die kleine Tochter der Autorin, die ein Lied erfindet und singt „Ich muss einen Weg finden zum Glück den niemand kennt.“

Karin Steger erinnert sich an die ersten Jahre mit Kind, wie sich ihr Zeitempfinden durch das Kind veränderte, wie sie zum Sender hetzte, wie sie zurückkam und die so andere Zeit daheim kaum einordnen konnte und sich wie ein verlorenes Puzzle-Teil für diese Idylle erst wieder finden musste. Da ist auch die eigene Mutter, deren männliche Studienkollegen, bekannte Fernseh- und Radiobiologen, große Erfolge feierten. Ihre Mutter war auch so eine, die die Welt neu erfinden wollte: Große Pläne, dann wurde sie MUTTER. Das Gefühl, bei allem Glück, doch in eine Falle getappt zu sein, zehrte an der an sich energiegeladenen Frau: Sie blieb, wie es so schön heißt, daheim bei den Kindern und füllte diese Rolle famos aus. Daneben blieben die unerfüllten Träume, das Studium würde sie wohl nie abschließen? Kinder, eine Falle? Wer hat sie gestellt, wer räumt sie weg?

Ein Blick über zwei Generationen auf Frau- und Muttersein, auf die Arbeitswelt und den Platz darin für Frauen mit Kindern. Sieben Jahre – nicht in Tibet – sondern im Hamsterrad des Lebens mit Kindern. Eine Chronik mit Höhe- und Tiefpunkten, ein authentische Spurensuche, die keine Lösungen feil bietet, die die Wirklichkeit der österreichischen Verhältnisse nicht schönt und sofort Lust darauf macht, erneut die Bücher von Marlen Haushofer zu lesen. Wie wär es mit „Die Wand“, „Wir töten Stella“, „Die Tapentür“!

 

Karin Steger:
Hättest halt kein Kind gekriegt.
Auf der Suche nach der mütterlichen Identität in der Leistungsgesellschaft.
Wien: Orac Verlag 2014.

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  • Veröffentlicht: 12.11.2014
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