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04-05/24

Hungern die Pfarren aus?

Hungern die Pfarren aus?

Der Personalmangel in den katholischen Pfarren wird immer drängender. Warum tut niemand wirklich etwas dagegen?

Ich mag es nicht, wenn von Menschen gemachte Probleme mit einem Hinweis auf den Willen Gottes einfach überdeckt oder zur Seite geschoben werden. Beim Thema „Priestermangel und Personalmangel in den katholischen Pfarren“ ist das so. Was vor zehn Jahren noch prognostiziert wurde, ist längst Wirklichkeit: Die noch aktiven Pfarrer sind alt, müde oder schleppen sich als Eucharistie­zelebranten von Gottesdienst zu Gottesdienst. Die mangelnde Wahrscheinlichkeit, eine gute Predigt zu hören oder eine erhellende Auslegung der heiligen Schriften zu bekommen, verleidet vielen den Kirchenbesuch. Die Laiinnen und Laien in der Seelsorge dürfen offiziell nichts tun, was Priestern vorbehalten ist: predigen, Sakramente spenden, Pfarre leiten. Sie dürfen nicht taufen, obwohl sie die Familien besser als die „eingeflogenen“ Priester kennen; KrankenhausseelsorgerInnen, die Menschen in ihren schweren Stunden begleiten, müssen zur Krankensalbung einen „Geweihten“ rufen. In den vergangenen Jahren hat man die Weihe von Diakonen intensiviert, aber diese sind meist zeitlich nur begrenzt verfügbar und auch nicht voll einsatzfähig in allen Bereichen, besonders nicht in der Eucharistie.

Diese Mahlgemeinschaft gilt als das Herzstück der katholischen Identität. Und sie wird, wie es scharfe KritikerInnen, auch aus dem Klerus, sagen, auf dem Altar des Zölibats geopfert. Es ist wichtiger, ehelos lebende Männer zu berufen als solche, die für das Amt geeignet sind, möchte man zynisch anfügen. Ein hochrangiger römischer Kurienkardinal betonte erst vor Kurzem wieder, dass über eine Priesterweihe von Frauen nicht zu verhandeln sei. Dabei kann Frausein alleine gar nicht das Kriterium für eine Zulassung zu Weiheämtern sein. Vielmehr müsste man doch fragen, welche Aufgaben es gibt, wer dafür geeignet ist, und wo man diese Menschen findet. Zumindest würde das ein Unternehmen, das weiter bestehen will, so machen. Braucht es nicht vor allem Menschen, die mit Leidenschaft glauben und zweifeln, die gemeinschaftsfähig sind, zuhören können, mit Engagement trösten, unterstützten, Sinnhorizonte eröffnen?

Wer sich nüchtern in den Gottesdienstgemeinden umschaut, sieht in erster Linie grau und weiß. Der Großteil der BesucherInnen ist im fortgeschrittenen Alter. Die übliche Begründung, die materialistische Konsumwelt sei schuld, greift viel zu kurz. Wer, im Bild von Unternehmen gesprochen, Filialen nicht oder mit ausgelaugtem oder nur begrenzt befugtem Personal besetzt, darf sich nicht wundern, wenn die Attraktivität des „Standorts“ nachlässt.

Der erste Anknüpfungspunkt für Menschen ist in der Regel die nächst­gelegene Pfarre. Viele haben dorthin ­ohnehin nur mehr zu heiligen Zeiten oder bei großen Lebensfesten, die kirchlich organisiert werden, Kontakt. Wenn man diese Gelegenheiten nicht sorgfältig gestaltet, nahrhaft im geistlichen Sinn und herzlich in der Aufnahme der spirituell Vagabundierenden, verspielt man Chance um Chance.

Es schmerzt, wenn eine spirituelle und geistige Kraft sich selbst aus dem Spiel nimmt. Mehr denn je mangeln die offenen Orte der Selbstreflexion, des Fragens: „Wie verstehen wir uns als Menschen? Was heißt beispielsweise aus christlicher Perspektive Heimat? Wo haben wir unseren Lebensanker gesetzt? Welche Werte tragen unser Miteinander?“

Bei aller Kritik an ihrer Macht war die katholische Kirche auch immer ein Ort des intellektuellen Zweifels und der Verhandlung einer Ethik, die auf christlichen Werten fußt. Das alles gibt man auf, weil die Führenden – und man muss leider sagen: die führenden Männer – sich nicht aus ihrer theologisch überhöhten Selbstknebelung lösen können.
Das alles ist oft gesagt worden und hat nichts genützt. Die Pfarren wursteln dahin, so gut es geht. Darf man sich das als Willen Gottes schönreden?

Christine Haiden sieht mit einer schwachen Kirche die gesellschaftliche Balance gestört.

Wandel ohne Perspektive?

Die über 1.500 Jahre alte Tradition der Kirche als Herrschaftsinstitution sei zu Ende, konstatiert der Pastoraltheologe Dr. Rainer Bucher in einem Beitrag für das Portal „katholisch.at“. Von einer selbstverständlichen Größe im Leben vieler Menschen sei sie unter einen „Zustimmungsvorbehalt“ gekommen. Menschen entscheiden, ob das, was beispielsweise pastoral und liturgisch geboten wird, für sie relevant ist. Trotz des sich verschärfenden Priestermangels stelle er aber nicht fest, dass neue Formen und Strukturen von Pastoral ausreichend geschaffen würden. Mit Stichtag 31. Dezember 2017 waren in Österreich 3.920 Priester im Einsatz, Anzahl sinkend. In der Diözese Linz lag beispielsweise das Durchschnittsalter im Klerus bei 65 Jahren. In der Diözese Gurk-Klagenfurt stammten 2017 von 260 Pfarrern 97 aus dem Ausland. Weil es Probleme mit deren Frauenbild und dem Verständnis demokratischer Einrichtungen wie dem Pfarrgemeinderat gibt, absolvieren sie nun einen zweijährigen Ausbildungskurs zur Integration.

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  • Veröffentlicht: 01.09.2018
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