Beeindruckt von der Covergeschichte vom November des Vorjahres erzählen Leserinnen, was für sie so bedeutsam ist, dass es bleiben soll. Die Antworten zeigen, wie vielseitig das Leben ist.
Die einen schieben den Gedanken an den eigenen Tod weit weg, die anderen haben zu Lebzeiten schon ihre Beerdigungsfeier organisiert. „Es ist wichtig, an das eigene Vermächtnis zu denken“, sagt die Logotherapeutin Johanna Schechner. Unsere Titelgeschichte im November regte Leserinnen an, über ihr Erbe nachzudenken.
„Werte schätzen“
Ich möchte, dass Menschen das Gefühl haben, dass ich wertschätzend mit ihnen umgegangen bin und mir, wenn es nötig war, für sie Zeit genommen und sie getröstet habe.
Wichtig wäre mir ebenfalls, dass ich über den Tellerrand hinaus Spuren hinterlasse – dass ich mich für Probleme auf unserer Erde eingesetzt habe.
Und da merke ich beim Schreiben dieses Textes, dass das nur so sein kann, wenn ich das zu Lebzeiten auch tue!
Erkennen, was ein Mitmensch braucht.
„Nachhall“
Ich bin 90 Jahre alt, aber noch fit und aktiv in Pfarre und Katholischer Frauenbewegung – habe für alle meine Funktionen aber schon Nachfolgerinnen gefunden – und mache mir also schon Gedanken darüber, wie es nach meinem Tod weitergehen wird. Aber was ich „hinterlassen“ möchte? Ich muss ja alles hinterlassen, ob ich will oder nicht!
„Geordnete Verhältnisse“
Was ich hinterlassen möchte? Ich bin versucht zu sagen: „Einen guten Eindruck.“ Das wäre aber zu kurz gegriffen. Mein Mann und ich mussten vor 60 Jahren buchstäblich bei null beginnen. Die Zeit war natürlich günstig, und wir konnten uns ohne große Ausbildung emporarbeiten, ein Haus im Mühlviertel bauen und eine Eigentumswohnung zum Eigengebrauch erwerben.
Da es in unserer Familie zu Erbstreitigkeiten gekommen war, bei denen wir den Kürzeren zogen, war es uns extrem wichtig, an unsere beiden Söhne gerecht zu vererben beziehungsweise das Erbe schon bei Lebzeiten in die Wege zu leiten. Das ist uns offenbar gelungen. Man kann sagen, Geld ist nicht alles. Dennoch sind wir froh, dass hoffentlich nach unserem Ableben keinerlei Diskussion über das Erbe entstehen wird. Ich hoffe auch sehr, dass meine Nachkommen mit Liebe an uns denken können.
„Heilwissen“
Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen und habe von ihnen sehr viel gelernt. Vor allem die Achtung vor der Natur und vor den Nahrungsmitteln. Oma musste mit sehr wenig Geld auskommen und hat das immer sehr gut geschafft. Von ihr habe ich auch den Ausspruch: „Eine gute Köchin erkennt man daran, dass sie aus dem Wenigen, was zur Verfügung steht, etwas Besonders machen kann.“ Das hat sie wirklich sehr gut beherrscht. Am meisten Eindruck hat aber bei mir hinterlassen, dass wir kaum einmal einen Doktor zu Gesicht bekamen, obwohl wir schon manchmal krank waren. Sie wusste überaus gut Bescheid über verschiedene Naturheilmittel und Naturheilverfahren, Pflanzenheilkunde und gesunde Ernährung. Es gab bei uns schon Müsli, als das noch kaum einer gegessen hat.
Die Großmutter hat uns Kinder immer miteinbezogen, uns zum Kräutersammeln und Wurzelgraben mitgenommen und bei der Zubereitung zuschauen oder helfen lassen.
Damit beschäftige ich mich nun auch sehr viel und mache zum Beispiel Pechsalbe, Kräuteransätze, Heilsalben und Teemischungen selber. Verstärkt versuche ich auch, meinen Enkeln das Sammeln in der Natur nahezubringen, sie einzubinden, wenn ich Dinge herstelle. Ich lasse sie Tees mischen oder gehe mit ihnen in den Wald, damit sie verschiedene Pflanzen kennenlernen. Dieses Vermächtnis meiner Oma möchte ich gerne noch vermehrt weitergeben
„Ja, ich kann“
Ich kann eine Meinung haben. Zu Frauenrechten beispielsweise. Ich kann dafür um Unterstützung bitten und um Verständnis, zuallererst in meinem eigenen Umfeld.
Ich kann sprechen. Erklären. Diskutieren. Ich kann scheitern. Aber ich kann genauso gut dieses eine kleine Korn in die Erde schubsen und es keimen lassen. Es wird aufgehen. Früher oder später.
Ich kann Vorbild sein, wenn es um die Verschönerung der Welt geht. Und wenn dies auch einfach nur bedeutet, mich zu bücken, wenn Müll herumliegt, und den Unrat in den nächsten Mistkübel zu entsorgen. Selbst dann, wenn ich mein Tun als sinnlos empfinde, weil ich manchmal meine, dass die ganze Welt einem Mistkübel gleicht, so wird doch wenigstens dieses eine Ding nicht mehr in der Natur herumliegen.
Ich kann vieles sein im täglichen Leben: hilfsbereit. Freundlich. Entschlossen. Unterstützend. Mitreißend. Energisch.
Und: Ich kann ansteckend sein, weil ich bei meinem Tun auch immer wieder gesehen werde, darüber spreche und andere motiviere.
Ich kann mit Begeisterung einen Funken entfachen. Dieser Funke soll sich hemmungslos entzünden und explodieren.
Das alles kann ich hinterlassen. So wird das vermeintlich Wenige plötzlich zu einer Größe, die eine tolle Hinterlassenschaft ist.
„Enkel-Bücher“
Ein Notizbuch mit schönem Einband und vielen leeren Seiten hat mich auf die Idee gebracht …
Für die jetzt schon zehnjährige Marie habe ich seit ihrer Geburt viele Gedanken, Erlebnisse, nette Begebenheiten, Hoffnungen und Träume zu Papier gebracht.
Nachdem ich auch noch gerne male und zeichne, wird daraus sicher ein kleiner Erinnerungsschatz.
Dann kamen vor sechs Jahren die Enkelzwillingsbuben zur Welt, und natürlich bekommt auch jeder von ihnen ein handgeschriebenes Erinnerungsbüchlein von der Oma. Es gibt so viele schöne Erlebnisse, die ich ihnen weitergeben kann, aber auch meine Sorgen gerade jetzt, in Coronazeiten, lass ich sie wissen.
Im Mai 2021 kommt unser viertes Enkelkind zur Welt – das noch leere Büchlein liegt schon bereit.
„In den Liebsten bleiben“
Ich wünsche mir, einen Raum zu hinterlassen, in dem alles Platz hat, jeder sein darf, mit allen Gefühlen und Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt. Ja, diesen Raum möchte ich hinterlassen, gefüllt mit dem, was ich wohl geben konnte, gefüllt mit meiner Liebe, all dem, was mir das Leben schenkte. Was dann in diesem Raum passiert, was meine Lieben mit diesem Raum dann machen, das überlasse ich ganz ihnen.
„Familiengeschichte“
Da ich sehr bedaure, dass ich, solange meine Eltern lebten, nie oder fast nie nach ihrer Kindheit und Jugend gefragt habe und auch wenig beziehungsweise gar nichts über meine Großeltern weiß, habe ich beschlossen, eine Art Chronik zu verfassen. Ich schreibe alles, was ich über meine Familie und die meines Mannes weiß, auf. Fotos – sofern vorhanden – werden eingefügt, und ich hoffe, dass dies meine Kinder und Enkel einmal lesen werden.
„Das Gedenken wachhalten“
Was will ich hinterlassen? Den Kindern, den Enkelkindern meine Gedanken übermitteln, das ist die familiäre Seite.
Unseren Ortschaften hier rund um die ehemaligen KZ-Lager von Gusen ein Bewusstsein der Verantwortung für die Erinnerung an diese grauenhafte Geschichte vermitteln, das war eine Aufgabe von Jahrzehnten.
In drei anliegenden Gemeinden entstand eine Bewegung der Internationalität bis hin zu den Städtepartnerschaften mit den Heimatorten der zahlreichen italienischen Opfer, die nach Gusen deportiert und dort getötet wurden; es entstand ein Schüleraustausch in diese Gemeinden, es gab gegenseitige Besuche, Teilnahme an Gedenkfeiern und nformationsveranstaltungen. Mit polnischen Orten wächst langsam eine solche Partnerschaft heran.
Wird das alles von Dauer sein? Treten wieder Leute in die Öffentlichkeit mit dem abwertenden „Geht mich nichts an, habe früher nicht hier gewohnt“ oder „Man soll die Vergangenheit ruhen lassen“ oder „Wir haben genauso gelitten, es sind genug im Krieg gefallen – was gehen uns die Fremden an“?
„Ein pflegeleichter Garten“
Ich wohne seit drei Jahren in einem Haus im Burgenland, das ich gegen eine Wohnung in Wien eingetauscht habe. Mit dem Haus habe ich einen Garten gekauft, mit einer Wiese und einer Birke darin.
Meine Initiative ging dahin, dass ich diesen Garten so pflegeleicht wie möglich für meine Nachkommen angelegt habe. Sämtliche Bäume und Blumen habe ich mit dem Gedanken an meine Erben gepflanzt. Ich weiß, dass ich keinen Baum mehr in seiner vollständigen Entwicklung sehen werde. Ich habe auch sämtliche Namenskärtchen der Pflanzen aufgehoben, alles für die Nachkommen. Ob mein Wunsch aufgeht, dass der Garten dann in der Familie bleibt, ist wieder eine andere Sache.
„Gute Beziehungen“
Ich liebe meinen Ehepartner und freue mich und bin dankbar für alles, was wir noch schaffen. Ein großes Gut sind für mich unsere drei Kinder und ihre Ehepartner. Ich liebe unsere fünf Enkelkinder, und ich freue mich immer sehr, wenn sie zu Besuch kommen. Die gute Beziehung zu uns und die der Kinder und Enkelkinder untereinander sind mir ein großes Anliegen, wie ich es von meiner Schwiegermutter vorgelebt bekam. Mein Glaube und meine Beziehung zu Gott sind für mich wertvoll und eine große Hilfe. Und das gebe ich meinen Lieben gerne weiter. Wenn meine jungen Angehörigen in dieser Beziehung auch andere Vorstellungen für ihr Leben haben, so schätzen sie doch, dass ich sie in meine Gebete einschließe.
„Kunst und Liebe“
Was bleibt, wenn ich nicht mehr da bin? Ich bin Frau, Tochter, Mutter, Großmutter, Künstlerin, Freundin, Schwester, Tante und vieles mehr. Aber was bleibt? Vielleicht bleibt meine Stimme in meiner Tochter, das Lächeln (aber auch Granteln) in meinem Enkel, das Almschmarrnrezept bei meinem Schwiegersohn, Erinnerungen bei Freundinnen und einige meiner gewebten Arbeiten in Kirchen und Andachtsräumen. Auf alle Fälle hoffe ich, dass meine Liebe spürbar bleibt.
„Mut und Ordnung“
Das Wichtigste ist mir, dass ich meinen drei Kindern, die mittlerweile ja selbst schon fast erwachsene Kinder haben, den Glauben an einen Gott, eine Göttin – wie auch immer – vorlebe und damit auch etwas hinterlassen kann. Das Wissen um einen Gott, der zur Seite steht, auch in schweren Zeiten.
Und ich wünsche mir auch etwas ganz Profanes: dass mein Umfeld, damit meine ich mein Haus, mein ganzes Drumherum, aufgeräumt ist, damit nicht zu viel Arbeit anfällt für jene, die dann damit beschäftigt sind, meine weltlichen Spuren zu ordnen beziehungsweise allen Krimskrams zu entsorgen.
Erschienen in „Welt der Frauen“ Jänner – Februar 2021
Ein kostenloses Testabo können Sie hier bestellen.